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Bergbaumuseum in Altenberg
Beginnend rund um Krupka (Graupen) breitete sich der Zinnbergbau seit dem 12. Jahrhundert über den Erzgebirgskamm aus, bis er
schließlich 1440 unter starker Beteiligung wohlhabender böhmischer Bergherren in der Region Altenberg Fuß fasste. Erst der
Grenzvertrag von Eger 1459 spaltete dieses Wirtschaftsgebiet. Zum Erliegen der Zusammenarbeit kam es jedoch nicht. Christoph
Schröder, der Leiter des Bergbaumuseums in Altenberg, erklärt hierzu: "Da die Grenze früher offen war, gab es viele Kontakte und
Wechselwirkungen; Sächsische Bergleute haben im böhmischen Grubenfeld gearbeitet oder investiert und umgekehrt. Das war ein starker
Austausch und ein intensives Miteinander über viele Jahrhunderte hinweg. Bis es dann immer wieder einmal politische oder religiöse
Schwierigkeiten gab..."
Mehrere Vertreibungswellen der protestantischen Bevölkerung aus dem katholischen Böhmen, die Besetzung des Sudentenlandes durch
Hitlerdeutschland und das Kriegsende 1945 mit der Schließung der Grenze, mit Vertreibung und Beseitigung ganzer Ortschaften nahe der
Grenze sind Beispiele aus der Geschichte, die immer wieder zur Verhärtung der Fronten im sächsisch-tschechischen Grenzraum führten.
Nach Kriegsende kam der Bergbau sowohl im sächsischen als auch im tschechischen
Grenzraum zu einer erneuten Blüte. Zusammen mit den an ihn geknüpften
Unternehmen stellte er den größten Arbeitgeber der Region dar. Bis der Zinnpreis auf
dem Weltmarkt rapide verfiel und mit der politischen Wende 1989/90 angesichts der
niedrigen Erlöse ein wirtschaftlicher Bergbau nicht mehr möglich war. Anfang der 1990er
Jahre schlossen die Bergwerke in Böhmisch-Zinnwald und Altenberg, was zu einer
schlagartigen Massenarbeitslosigkeit führte. Diese ging einher mit einer enormen
Abwanderung aus der Region.
"Hier ist über 500 Jahre lang etwas passiert, wichtige
Dinge, die hier auch erhalten werden müssen."
Christoph Schröder jedoch schwamm gegen den Strom. Nach seinem Studium des
Bergbaus zog aus der Stadt Freiberg nach Altenberg. Hier machte er es sich zur
Aufgabe, im Bergbaumuseum Altenberg die aussterbende Technik und Kultur des
Bergbaus zu bewahren. "Der Demografische Wandel ändert nichts an der Zielsetzung,
die Traditionspflege und Bewahrung der Zeitzeugnisse des osterzgebirgischen
Zinnbergbaus weiterzuführen. Die Aufgabe bleibt. Wir sind eine bedeutende Region.
Hier ist über 500 Jahre lang etwas passiert, wichtige Dinge, die hier auch erhalten
werden müssen."
Das Museum besteht bereits seit 1957, als die großen Modernisierungsmaßnahmen im
Bergbau einsetzten. Denkmalschützer erkannten die Wichtigkeit, die in der Bewahrung
der traditionellen Technik und des Handwerks liegt. Doch auch die Kulturbewahrung
spielt hier eine große Rolle, die Erhaltung von "speziellen Traditionen, die im Bergbau
ganz stark ausgeprägt sind. Man kennt ja Bergparaden oder bestimmtes
bergmännisches Liedgut, die spezielle Bergmannsprache und bestimmte
Entwicklungen, die vom Bergbau kamen." Viele dieser Aspekte werden heute im
Museum, einer stillgelegten Erzwäsche aus dem 16. Jahrhundert, vermittelt.
Doch nicht nur die Bergbauindustrie selbst, auch das Museum bekam die Folgen des Niedergangs der Ostwirtschaft zu spüren. Zu DDR-
Zeiten war das Erzgebirge mit seiner herrlichen Natur, all den betrieblichen Ferienheimen und Kurorten sowie durch den Mangel an
anderen touristischen Angeboten Urlaubsziel Nummer 1 der Ostdeutschen. Somit konnte sich auch das Museum in Altenberg hoher
Besucherzahlen erfreuen. "Das hat sich natürlich grundlegend gewandelt. Nach der Wende wurde viel in den touristischen Ausbau
investiert und die Leute damit auf ein größeres Interessengebiet verteilt", erklärt Schröder etwas wehmütig. Die Besucherzahlen
brachen von 100.000 auf 30.000 und dann weiter bis auf 15.000 Besucher pro Jahr ein. "Das hängt auch damit zusammen, dass nach der
Wende viele Leute etwas Neues sehen wollten, viele Schulklassen waren hier, es gab viel Interesse von außerhalb. Das Museum war nach
den Sanierungsarbeiten 1994 ganz neu wiederhergestellt, das zieht natürlich auch Besucher an. Der Besucherzuspruch ging dann Stück
für Stück zurück, auch durch den demografischen Wandel."
Eben dieser demografische Wandel ist jedoch nicht nur schuld an zurückgehender Frequentierung des Museums, auch der Nachwuchs
für das Museum selbst bleibt aus. "Die jungen Leute sind eben anderweitig orientiert und viele verlassen dann letztendlich die Region,
weil es hier zu wenig Ausbildungsmöglichkeiten und zu wenig Perspektive gibt. Aber es macht auch niemand etwas dagegen. Von der
Politik wird nicht dagegen gesteuert, im Gegenteil. Durch die immer weitere Zentralisation der Behörden und der Verwaltung wird alles
immer mehr zusammengelegt, es gibt immer größere Strukturen und Entfernungen und alles wird in den Städten geballt. Somit wird es
natürlich immer weniger attraktiv, in so einer ländlichen Gegend zu bleiben und zu leben."
Doch wie kann sich das Museum dann halten? "Wir
haben eine Reihe von Bergbaurentnern, die von ihrer
Arbeit berichten können, auch einige angelernte
Angestellte, die als Zusatzkräfte oder als Minijobber
arbeiten. Wir haben Freiwilligendienste und
geförderte Leute übers Arbeitsamt. Wir müssen also
mit vielen verschiedenen Arbeitsmodellen arbeiten,
damit wir auf die notwendige Arbeitskräftestruktur
kommen. Aber Museumsfachkräfte haben wir leider
zu wenige." Denn für Fachkräfte, die Archiv- und
Sammlungsarbeiten oder zusätzliche Projekte
durchführen könnten, fehlen nicht nur der
Nachwuchs, sondern auch die finanziellen Mittel.
"Ich sehe das nicht pessimistisch, das sind eben die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Wir sind gezwungen, das
Hauptaugenmerk auf andere Dinge Tätigkeiten legen, die uns die wirtschaftliche Existenz sichern. Und das ist hier eben letztendlich eine
starke Ausrichtung auf den Urlaubstourismus."
Somit setzt Schröder seine Hoffnung in das UNESCO- Werbeprojekt "Montanregion Erzgebirge" als Anziehungsfaktor für die Region. Dieses
Projekt stellt einen ersten großen Schritt in Richtung Erneuerung der Zusammenarbeit im ehemaligen deutsch-tschechischen
Wirtschaftsraum dar. Denn abgesehen von grenzüberschreitenden Wanderwegen auf Spuren des Bergbaus ist wenig von der früheren
Kooperation übrig geblieben, "weil bei uns die Begegnungsmöglichkeiten auf fachlicher Ebene auch relativ begrenzt sind und auf beiden
Seiten nicht so viele Aktivitäten entfacht wurden. Wir hatten immer mal wieder gemeinsame Projekte über das Museum, aber das war
immer nur über eine bestimmte Zeit und danach steckte wieder jeder in seinen eigenen Sorgen und Problemen."
Schröder begründet diese nur sporadisch stattfindenden Kontakte mit der Sprachbarriere und dem Fehlen einer Plattform zum Austausch
und Zusammensein - so gibt es etwa zu dem Altenberger Museum oder dem "Knappenverein", in dem sich ehemalige Bergarbeiter und
Bergbauinteressierte zusammengefunden haben, kein Äquivalent auf tschechischer Seite. Auch enge persönliche Kontakte mit den
tschechischen Nachbarn sind eher selten. "Wir sind offen, in Kontakt zu kommen, und es wird sicherlich auch eine Intensivierung geben,
aber vieles bleibt erst mal auf dieser beruflichen und behördlichen Basis. Die Anfänge sind da, aber es ist ein langer, langer Prozess. Vieles ist
schon Stück für Stück gewachsen, von einem anfänglichen Einkaufstourismus bis hin zur intensiveren Nutzung der Freizeit- oder
Kulturangebote im jeweils anderen Land, wie zum Beispiel der Besuch in unserem Museum. Aber das wächst schon weiter...", lässt er
zuversichtlich lächelnd verlauten.
Ist es diese Zuversicht, die ihn trotz allen Schwierigkeiten in der Region hält?
"Da ich nicht in der Region geboren bin, bleibe ich in viele Richtungen offen.
Ich könnte mir auch ein Leben anderswo vorstellen", gibt Schröder zu. "Aber
der Bergbau ist einfach ein spannendes Gebiet mit einer sehr reichen Kultur
und Geschichte. Da hat mich auch die Geschichte hier vor Ort interessiert und
die spannende Aufgabe aus dem ruinösen Schrotthaufen, der das Museum mal
war, wieder ein Museum zu bauen", und seine stahlblauen Augen strahlen vor
Begeisterung. "Wer einmal am Bergbau Blut geleckt hat, den lässt die
Begeisterung dafür auch nicht mehr los."
Bilder: Bergbaumuseum Altenberg, Christina Schröder
Über die Autorin:
Judith Fliehmann lebt seit 2014 im Rahmen des European Voluntary Service der
Organisation "Antikomplex" in Prag. Dabei steht die Auseinandersetzung mit den
tschechisch-deutschen Beziehungen im Mittelpunkt. Antikomplex organisiert Vorträge in
Schulen, plant Ausstellungen, editiert Bücher und vieles mehr. Judith Fliehmann arbeitete in
Kooperation mit der "Brücke/Most-Stiftung" am Projekt "Direkt vor der Haustür - Offene
Grenze 10 Jahre später" und dokumentierte die Veränderungen im deutsch-tschechischen
Grenzgebiet seit der Grenzöffnung.
Links:
Judith Fliehmanns Blog über ihren Europäischen Freiwillgendienst:
https://evsantikomplex.wordpress.com
Antikomplex: http://www.antikomplex.cz/de
Bergbaumuseum Altenberg: http://www.bergbaumuseum-altenberg.de
"Vom einstigen Miteinander
ist nicht viel geblieben"
Lokalaugenschein im Bergbaumuseum Altenberg an der
sächsisch-böhmischen Grenze.
von Judith Fliehmann
Während heute von Regierung, NGO's und Vereinen hart an einer deutsch-tschechischen Kooperation gearbeitet wird,
findet sich bei einem Blick zurück in die Geschichte der Grenzregion ein Paradebeispiel der grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit - der Zinnerzbergbau. Durch dessen Gründungs- und Besiedlungsgeschichte sind Deutschland und
Tschechien eng verwoben.
Deshalb wollen wir im Zuge unseres Projekts "10 Jahre offene Grenzen" gerade diesen Wirtschaftszweig unter die Lupe
nehmen. In welche Richtung hat sich der Bergbau entwickelt? Wie wirkt sich das im Grenzgebiet um sich greifende
Phänomen der Entvölkerung auf ihn aus? Und wo ist hier heute noch deutsch-tschechische Kooperation zu finden?