POWIDL im neuen Gewand!
Neues Layout, aktueller, übersichtlicher
Seit über zwei Monaten herrscht
Stillstand im internationalen Verkehr. Die Erfolge im Kampf gegen das
Virus in Mitteleuropa lassen es jedoch zu, über eine Aufhebung der
Grenzsperren rund um die Tschechische Republik nachzudenken. In
Tschechien wird die Abschottung von einem großen Teil der
Bevölkerung zwar nach wie vor gutgeheißen, die Wirtschaft - allen
voran der Industrie- und Tourismussektor - drängen aber auf eine
rasche Öffnung. Auch die Zivilgesellschaft fordert mit der
Initiative "Samstage für die Nachbarschaft" mit ihren
Grenztreffen eine schnelle Rückkehr zur Normalität.
Poker um ein "Corona-Schengen"
Die Zahl der Corona-Fälle in
Tschechien und seinen Nachbarländern ist im Abklingen. Die Zeit des
Nationalen Notstandes ist per 18. Mai Geschichte, und viele
Regelungen aus dieser Ära sind bereits aufgehoben. Nicht so die
strengen Einreiseverbote ins Land. Glaubt man Außenminister Tomáš
Petříček, so könnte die alte Schengen-Normalität Mitte Juni -
zumindest an den Grenzen Tschechiens, und sofern das Corona-Virus
nicht wieder überraschend zuschlägt - wiederhergestellt sein.
Involviert in die Idee eines
"Corona-Schengens" sind neben Tschechien die Nachbarn
Österreich und Deutschland, die Schweiz mit Liechtenstein, die
übrigen Visegrád-Staaten Polen, Slowakei und Ungarn, sowie aus
touristischen Überlegungen Slowenien und Kroatien. Auch Griechenland
und Bulgarien haben schon aufgezeigt. Grundsätzlich sind die
jeweiligen Regierungen prinzipiell für solch ein Projekt, der Teufel
steckt aber im Detail. Einerseits ist der Startschuss zum Wettlauf um
die heiß ersehnten Sommertouristen schon längst erfolgt,
andererseits sorgt populistische Begleitmusik laufend für schwere
Dissonanzen im Konzert der Politik.
Die Gretchenfrage ist die Handhabe der "Außengrenzen" dieses Corona-Schengenraumes. Österreich hat
beispielsweise vor wenigen Tagen die Einreisebestimmungen aus
Slowenien gelockert. Nachdem aber die Slowenen auch gegenüber
Italien gelockert haben, hat Österreich seine Erleichterungen wieder
zurückgenommen und Slowenien hat die alten Bestimmungen gegenüber
seinen nördlichen Nachbarn eingesetzt. Tschechien wiederum fürchtet,
dass Menschen aus "unsicheren Staaten" über Deutschland
ins Land gelangen können. "Die Zahlen in Deutschland verbessern
sich derzeit. Wir wollen aber sicherstellen, dass nach der
Grenzöffnung mit unserem größten Nachbarn nicht das Risiko steigt,
dass über Deutschland Menschen etwa aus Belgien und Frankreich zu
uns reisen. Das heißt aus Ländern, in denen die Lage aus unserer
Sicht noch nicht gut ist und die so für uns als Risikoländer
gelten", erklärte Petříček im Rahmen einer Pressekonferenz.
Für die tschechische Regierung scheint
derzeit hinsichtlich der Nachbarländer eine Zweiklassen-Gesellschaft
zu existieren. Während man sich mit den "guten" Nachbarn
Österreich und Slowakei eine Reisefreiheit bereits Anfang Juni vorstellen
kann, ist man bei Deutschland und Polen wesentlich reservierter. Die
abertausenden Tschechen, die in Deutschland arbeiten und täglich
pendeln, müssen oft für populistische und kaum stichhaltige
Argumentationen herhalten. Sie brächten das Virus ins Land,
behauptete Premier Andrej Babiš immer wieder. Daher sei keine
unüberlegte Eile angebracht. "Anfang Juni wird eine
aktualisierte Liste der Länder mit ihrer jeweiligen Risikostufe
veröffentlicht. Darauf werden unsere Reiseempfehlungen basieren",
sagte Außenminister Petříček.
Die tschechisch-deutsche Grenze wird
sich somit frühestens Mitte Juni öffnen können. Für
Wirtschaftstreibende in den beiden Ländern wäre das ein schwerer
Schlag. Die Industrie- und Handelskammern in Niederbayern und der
Oberpfalz sowie die Wirtschaftskammern von Pilsen und Südböhmen
haben im Einklang an ihre Regierungen für das Ende der Abschottung
plädiert. Gerade in den eng verflochtenen Grenzregionen, in denen
sehr viele Unternehmen vom länderübergreifenden Waren- und
Dienstleistungsverkehr leben, summieren sich die Verluste, warnten
die Kammern.
Auch die Zivilgesellschaft sieht ein
Hinauszögern der Grenzöffnung als Gefahr für die bilateralen
Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland sowie
zu Österreich und Polen. Um auf die Lage aufmerksam zu machen, hat
sich die Initiative "Samstage für die Nachbarschaft"
gebildet. Unter Einhaltung der Corona-Regeln, und peinlichst genau
achtend, dass man ja nicht die Grenzlinie übertritt, treffen sich die Aktivisten jeden Samstagnachmittag an vereinbarten Treffpunkten an der Grenze.
"Niemals konnte ich mir vorstellen, dass die Grenze mich und
meine Freunde in Tschechien wieder trennen könnte", sagte
Carsten Schaller, Initiator eines dieser Treffen. "Sie trennt
aber nicht nur Freunde, sondern auch Familien, Bekannte, Kollegen.
Aber die Grenzschließung lässt sich wissenschaftlich nicht
begründen. Das ist eine rein politische Entscheidung."
Die weitere Zukunft im Fahrplan zur
Wiederherstellung der Reisefreiheit ist trotz aller bekundeter
Absichtserklärungen nebelig. Jeder Staat hat seine eigenen
Interessen und Vorstellungen, eine tatsächliche Einigung auf ein
"Corona-Schengen" erfordert ein gewisses Maß an
Kompromissbereitschaft aller Beteiligter, die zum heutigen Zeitpunkt
aber noch in den Kinderschuhen steckt.
Bild: Facebook/Carsten Schaller
Der Bürgermeister von Aš, Dalibor Blažek, und der Vizebürgermeister von Selb, Carsten Hentschel, beim "Händeschütteln"