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"Powidl" Glossen
von
Wolfgang Martin
Da staunte ich nicht schlecht, als mir ein junger Tscheche vom Skifahren in Österreich
vorschwärmte, und noch dazu bemerkte, dass Österreich das billigste Skigebiet sei. Er merkte zwar
an, dass Frankreich noch besser wäre, aber das sei eindeutig zu teuer. Da ich am selben Tag die
Lift- und Unterkunftspreise in tschechischen Skigebieten recherchiert hatte, dachte ich, er wolle
mich auf dem Arm nehmen. Noch dazu, nachdem einige Skigebiete trotz schwacher Krone noch
zusätzlich billiger geworden sind. Was auch niemand nachvollziehen kann. Oder vielleicht doch, der
billige Preis das ist ja die verbreitetste tschechische Werbeform. Statt in kalkulierte Werbung zu
investieren und für seine Leistung einen angemessenen Preis zu verlangen, orientiert man sich an
der Konkurrenz und lizitiert sich gegenseitig nach unten, bis zum Exitus.
Tschechiens Tourismus:
suizidverdächtig
Glosse zur Problematik um die Vermarktung tschechischer Tourismusgebiete
Doch zurück zu unserem Freund. Auf meine
Frage, ob er scherze, antwortete er ganz
entrüstet: "Nein keineswegs!" - und begann mir
vorzurechnen, warum es so ist. Er sagt mir, er
habe sich das genau ausgerechnet: Er fährt bis
zu 70 km pro Tag. Wenn er Wartezeiten,
Liftgeschwindigkeiten und die gefahrenen
Kilometer einberechnet, ist Tschechien um
einiges teurer als Österreich. Er ergänzte aber
auch. dass er ausschließlich in der
Zwischensaison nach Österreich fährt. Scherzhaft
fügte er noch bei: "Für die Kilometer, die ich in
Österreich in einem Tag fahre, müsste ich mir in
Tschechien eine Woche frei nehmen."
ten schon länger versteckt sein.
Tatsächlich ist es wirklich so, dass die
Wintersportorte in Tschechien großen
Nachholbedarf haben, vor allem, was die
Außendarstellung und die Infrastruktur betrifft.
Schuld daran sind das mangelnde Know-how und
die geringe Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Aber auch die Firmen-Konstrukte. Viele Hotels
wurden mir EU-Gelder "billig" saniert. Die
Besitzer sitzen im Hintergrund und haben
Geschäftsführer eingesetzt, die nur eine
Gleichung kennen: "Mehr Kunden = mehr
Arbeit". Werfen die Betriebe keinen Gewinn mehr
ab, werden sie von den Besitzern verkauft. Auch
bei der Werbung. Bei der Recherche der
tschechischen Skigebiete mussten wir
feststellen, dass viele Beherbungsbetriebe
Anfangs Dezember entweder noch gar nicht
besetzt sind, auf Anfragen nicht oder erst spät
antworten und der Höhepunkt eine automatische
Rückmail (siehe Screenshot) "Wir sind
ausgebucht". Die ganze Saison? Eine weitere
Feinheit: Ruft man die Seiten der tschechischen
Skigebiete auf, wird man zugeschüttet mit
Werbung aus österreichischen und italienischen
Skigebieten.
Es grenzt an Ironie, das uns ausgerechnet beim
Schreiben dieser Zeilen die Meldung erreicht,
dass die Veranstaltung der Nordische
Kombinierer in Liberec (7. - 8 Februar 2015) aus
organisatorischen Gründen abgesagt wurde. Hat
man aus dem WM Desaster in Liberec und der
darauffolgenden Insolvenz 2009 (siehe Bericht
von Radio Prag,
http://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/
veranstalter-der-nordischen-ski-wm-2009-in-
liberec-insolvent) nichts gelernt? NEIN man hat
offensichtlich nicht! Ist denn niemandem
bewusst, wie hoch der volkwirtschaftlich
Schaden ist? Alle Sportarten werden darunter
leiden. Wer vergibt noch eine Sportveranstaltung
an Tschechien, wenn er sich nicht sicher sein
kann, dass man sie organisatorisch über die
'Bühne' bringt? Tschechien stellt sich damit
selbst immer weiter ins abseits. Andererseits will
Finanzminister Andrej Babis bereits 2016 die
elektronische Rechnung für alle Betriebe
einführen und als Vorreiter in Europa agieren.
Herr Babis, wie soll das funktionieren? Wenn
man nicht einmal ein bischen runterhüpfen und
eine paar Runden Langlaufen organisatorisch auf
die Reihe bekommt. Würde man das Potential im
Fremdenverkehr sinnvoll ausschöpfen, wären die
Einnahmen wesentlich höher als mit einem
System wo die Insolvenzen vorprogrammiert
sind und das letztendlich nur die
Kleinunternehmer trifft. Dazu müsste man jedoch
die Korruption eindämmen und neue Strukturen
schaffen die ein Überleben der Betriebe möglich
macht und vor allem in die Weiterbildung
investieren.
Lange wird man nicht mehr warten können, die Bombe tickt. Der Ausverkauf droht und die EU-
Förderungen neigen sich dem Ende zu. Wenn sich nicht schnell etwas ändert werden findige
internationale Konsortien die Betriebe um einen Pappenstiel übernehemn, ihr Fachpersonal mitbringen
und ordentlich davon profitieren und im schlechtesten Fall das Geld ins Ausland transferieren. Die
Tschechen werden wieder ihr Schwejk-Dasein erlangen still kritisierend Befehle ausführen und durch
die Finger schauen.
Schwejk ist auferstanden
Wer hätte gedacht, dass die Schwejk-
Geschichte wieder so aktuell wird! Zurück ins
zweite Glied, und auf die Befehle warten.
Hintergründig Kritik üben, aber nichts
verändern. Es ist kein Zufall dass der
Finanzminister, Vizepremier und Gründer der
aktuell stärksten Partei Slowake ist. Kürzlich ist
auch die Hauptstadt "gefallen": Die neue
Bürgermeisterin von Prag stammt ebenfalls aus
dem Nachbarland. Da fragt man sich: Warum
habt ihr euch getrennt?
Wie es scheint, übernimmt der Ex-"Kleine
Bruder" langsam das Kommando über die
ehemalige Tschechoslowakei. Auch wenn es
etwas überspitzt geschrieben ist, versteckt sich
doch ein Korn Wahrheit darin. Die
Wirtschaftszahlen, die Tschechien vorzeigen
kann, sind zwar nach wie vor anschaulich,
doch tickt im Hintergrund bereits eine
Zeitbombe.
Was man aus den Zahlen nicht herauslesen
kann, erlebt man fast täglich vor Ort. Es ist der
Politik nicht annähernd gelungen,
Europäisches Gedankengut, respektive
Ansprüche internationaler Standards zu
vermitteln. Die Ausbildung innerhalb
Tschechiens entspricht dem Standard der
Vergangenheit. Egal, ob es das Gastgewerbe,
den Tourismus oder handwerkliche Berufe
betrifft, das Niveau ist teilweise erschreckend.
Schuld daran ist auch, dass die Tschechen
selbst bei Dienstleistungen bei Weitem nicht den
Anspruch stellen, wie es international der Fall
ist. Das verleitet dazu, nichts zu verändern.
Ein Handicap ist natürlich auch das im
europäischen Vergleich niedrige Lohnniveau.
Es ist finanziell kaum möglich, Spezialisten
aus dem Ausland zu engagieren, um davon
hinsichtlich der Ausbildung zu profitieren. Man
schaue beispielsweise auf die Gastronomie:
Der Standard der Lokale ist kaum
herauszulesen, man kauft eigentlich immer die
Katze im Sack. Bietet ein Restaurant, wie etwa
auf der Prager Burg, eine Hauptspeise um 28
Euro an, sollte man davon ausgehen, dass es
sich um ein Lokal der gehobenen handelt.
Falsch gedacht. Es kostet die gleiche Speise
außerhalb des Zentrums 6 Euro, und kann
durchaus auch besser sein. Die Folge: der
Kunde fühlt sich betrogen und in den
Internetforen und auch internationalen
Zeitungen wird eifrig darüber geschrieben.
Ähnlich verhält es sich bei den Taxis. Man
muss ein "Fair"-Taxi bestellen, um den
normalen Preis zu bezahlen. Damit wird
automatisch ausgesagt, dass die anderen
betrügen - Fremdenverkehrswerbung sieht
anders aus.