Home
Politik
Über uns
Tourismus
Sport
Wirtschaft
POWIDL im neuen Gewand!
Neues Layout, aktueller, übersichtlicher
Wirtschaft
Politik
"Powidl" Glosse
von
Wolfgang Martin
Mit dem Aus der Zigarettenmarken "Start" und
"Petra" (Ich weiß, Rauchen ist verpönt und ganz
schlimm!) wird die Schwejkisierung in Tschechien
fortgesetzt. Es wird sich niemand öffentlich
aufregen, aber am Stammtisch kocht die
tschechische Seele und das "Wir-San-Wir" wird
wieder gestärkt. Für die Tschechen sind die
Marken "Petra" und "Start" mehr als nur
Zigaretten. Sie sind ein Stück Geschichte, und ihr
Ende steht symbolisch für die fortschreitende
Enteignung. Was ist eigentlich noch tschechisch in
Tschechien?
Was ist in Tschechien noch
tschechisch?
Tschechische
Produkte
Glosse zum Ende der traditionellen Zigarettenmarken "Start" und "Petra"
Das Traditionswerk Skoda ist fest in deutscher Hand, und das
klassische Skoda Auto-Design wird und wurde bereits Schritt
für Schritt in Richtung deutsches Nüchternheits-Design
getrimmt. Bei den Versicherungen hat die Vienna Insurance
Group das Sagen, die mittlerweile das zweitgrößte
Unternehmen Tschechiens ist. In der Autozuliefererbranche
sind die Italiener sehr aktiv, die offen zugeben, dass ihnen
Tschechien so gefällt, weil sie den Arbeitern fast nichts zahlen
müssen. Den Lebensmittelmarkt beherrschen die Kaufland's,
Lidl's, Interspar's und Billa's, die in erster Linie Handl's,
Schwarzwälder's Nestle's, Meggle's - eben ausländische
Produkte verkaufen. Übrigens, wenn Sie tschechische Produkte
suchen (finden): Sie sind gekennzeichnet, achten Sie aber auf
das Ablaufdatum. Sie könnten schon länger versteckt sein.
Bei der Energieversorgung kann die deutsche E.ON den Tschechen den Ausbau
ihrer Atomkraftwerke auf's Aug drücken, in dem sie Deutschland mit Billigstrom
beliefert und den Tschechen weismacht, dass das für sie das Geschäft ihres
Lebens ist. Im Moment ist es wirklich ein riesiges Geschäft, die Menschen zählen
nicht. Der Straßenbau wird von der österreichischen STRABAG kontrolliert, die
Müllabfuhr von der österreichischen A.S.A, und so weiter, und so fort. Die Liste
könnte man endlos fortsetzen. Da wäre noch der ganze tschechischen Stolz - das
Bier. Längst haben auch hier schon die Großkonzerne das Business erkannt und
beinhart zu- und die alten Strukturen zerschlagen. Traditionelle Biere schmecken
auf einmal anders oder werden gar im Ausland produziert. Die Produkte sind
zwar nach wie vor nicht schlecht, aber dem tschechischen Biergaumen entgeht
die geringste Veränderung nicht. Die Multikonzerne a la Heineken, SABmiller und
Co. machen mittlerweile über ihre Vertriebsschienen mit tschechischen Bier ein
Bombengeschäft, was sie aber nicht davon abhält, Kleinbrauereien aufzukaufen
und zu schließen bzw. die Produktionen kostengünstig zu zentralisieren oder gar
auszulagern. Was ist den Tschechen eigentlich geblieben?
Die Landwirtschaft beispielsweise. Die Kolchosenwirtschaft ist nach wie vor tschechisch, aber auf
Grund von großzügigen EU-Geldern mit High Tech und auf Massenproduktion zugeschnitten. Was
zur Ursache hat, dass sich niemand in der Welt um tschechische Lebensmittel reißt und die
wenigen noch verbliebenen Kleinbauern mit den Preisen nicht mehr mit können. Selbst die einst
berühmten Znaimer Gurken oder etwa der Olmützer Quargel, (der übrigens in der Exportversion
nicht mehr stinkt), sind nur noch den alten Menschen bekannt. Abgesehen davon, dass durch diese
Form von High-Tech-Landwirtschaft die Qualität auf der Strecke bleibt, werden Arbeitsplätze
vernichtet und was noch schlimmer ist, die Bauern sind - wenn sie Glück haben - Angestellte eines
Großbetriebes und bedienen nur noch schweres Gerät oder werden zu EDV-Fachleuten in den
computergesteuerten Hendl- oder Schweinefarmen umgeschult.
Das hat einen gewissen Herrn Babis, seineszeichen Parteiobmann der neugegründeteten Partei ANO,
der politisch zweitstärksten Kraft im Lande, zu jenem Reichtum verholfen, dass er sogar nun auf
den Spuren von Belusconi wandeln kann. Babis' Agrofert ist lange nicht nur mehr ein
Landwirtschafts Unternehmen sondern mittlerweile eine mediale Macht im Lande. Tendenz
steigernd. Obwohl Babis immer wieder beteuert, seine Macht nicht zu missbrauchen, hat allein die
Herkunft des Kapitals schon einen schalen Geschmack. Andererseits - viel schlechter kann es nicht
werden, und man sollte Babis auch nicht vorverurteilen. Jedenfalls brachte er einen neuen Schwung
in die Parteilandschaft. Nichts desto trotz verliert Tschechien Schritt für Schritt seine Identität und
wird immer mehr zur grauen Maus in der EU, was den traditionsbewussten Tschechen schwer aufs
Gemüt schlägt. Schon auf Grund der Tatsache - frei nach dem Motto: "Alle Macht geht dem Volke
aus" - dass den Tschechen neben dem Materiellen auch noch das Traditionelle entzogen wird. Beim
Ersteren sind sie Überlebensweltmeister und gar nicht so empfindlich. Bei Zweiterem jedoch
verstehen sie keinen Spaß, und wie wir aus Vergangenheit wissen, kann sie dann auch kein Panzer
stoppen. Also Pozor (Achtung) - NICHT ÜBERTREIBEN!