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Jan Sechter ist seit November 2013 Tschechiens Botschafter in Österreich. Der 45jährige
Diplomat hat sich die Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern zum
Ziel seiner Amtszeit gesetzt.
POWIDL: Wir feiern hier heute das 25-Jahr-Jubiläum des Falls des Eisernen Vorhangs. Tschechien ist nun
10 Jahre EU-Mitglied. Wie sehen Sie die wirtschaftliche Entwicklung Tschechiens?
Jan Sechter
Text: Wolfgang Martin
POWIDL-Interview
mit dem Botschafter der
Tschechischen Republik in Wien
Foto: Tschechisches Außenministerium
Seit dem Abgang seines Vorgängers Jan Koukal
war der Wiener Botschafterposten knapp ein Jahr
lang unbesetzt, weil ein Streit zwischen
Staatspräsident Milos Zeman und Außenpolitiker
Karel Schwarzenberg längere Zeit der
Akkreditierung eines neuen Botschafters im Wege
gestanden ist. Jan Sechter hat sich mit seinem
Amtsantritt den "Neustart der Beziehungen"
zwischen Österreich und Tschechien auf die Fahnen
geheftet. Sechter sprach mit POWIDL anlässlich
der 25 Jahre Jubiläumsfeier des Falls des Eisernen
Vorhangs in Hardegg.
Sechter: Für meine Generation war der Zeitpunkt der Öffnung der wichtigste Schritt. Der EU-Beitritt kam dann
dazu. Für mich zählen die 25 Jahre. Denn die ersten Abkommen wurden bereits vor Eintritt in die EU
abgeschlossen. Zum Beispiel waren die österreichischen Banken und die Industrie lang vor dem EU-Beitritt bereits
aktiv. Die Bilanz ist sicherlich positiv. Ich glaube, die meisten Tschechen sehen das so, auch wenn noch einiges an
Kritik kommt.
POWIDL: Ein Problem, das nach wie vor da ist, ist der doch noch gravierende Unterschied - vor allem
in den ländlichen Bereichen - der Einkommen der Tschechen zum EU-Durchschnitt.
Foto: Tschechisches Außenministerium
Amtsantritt im November 2013 bei Bundespräsident Heinz Fischer
Sechter: Das stimmt schon, allerdings hat der Beitritt zur EU auch in den ländlichen Bereichen wirtschaftliche
Stabilität und Sicherheit gebracht, sodass man mittelfristig planen kann und eine Basis vorfindet, dies in den
nächsten Jahren wettzumachen. Man hat schon vergessen, dass wir durch die Trennung von der Slowakei und
dem Zerfall des Comecon große Probleme mit dem Osthandel und der Wirtschaft bekommen haben. Das hat sich
mittlerweile durch die EU normalisiert, aber es hat natürlich den Entwicklungsprozess verlangsamt.
POWIDL: Viele Tschechen wünschen sich das alte kommunistische System wieder zurück - was man
auch an den Wahlergebnissen ablesen kann. Wollen die Menschen das wirklich oder ist es nur ein
Hilferuf nach sozialer Sicherheit?
Sechter: Seit 1989 waren die Kommunisten nie in der Regierung, aber immer im Parlament. Man muss nun
unterscheiden unter den Altkommunisten seinerzeit, die sich die Wende nicht gewünscht haben, und der neuen
Generation, die keine Stalinisten sind, sondern normale Linke, wie es sie auch in Österreich und Deutschland gibt.
Die Rückkehr zum totalitären kommunistischen System a la Nordkorea oder Kuba wünscht sich in Tschechien aber
niemand.
POWIDL: Laut Umfragen ist die Mehrheit der
Tschechen mittlerweile gegen die EU Warum?
Sechter: Es liegt an der Mentalität der Tschechen,
die sich eine klare zentrale Führung wünschen. Das
ist auch in Österreich zu spüren. Die Tschechen
stellen zwar nicht die Integration infrage, sehen
jedoch einige Merkmale kritisch.
"Es gibt viele Dinge zu
besprechen, vor allem,
was die Bürokratie
betrifft." Jan Sechter
POWIDL: Apropos Währung. Dass die Tschechen den Euro ablehnen, solange die Einkommensschere
zu den anderen europäischen Staaten noch so groß ist, ist nachvollziehbar. Etwas unverständlich war
allerdings, warum man die Tschechische Krone solange auf Euro-Niveau hielt und danach radikal um
7% abgewertet hat.
Wie zum Beispiel die Einführung des Euros, was die absolute Mehrheit der Tschechen ablehnt. Die meisten Dinge
stellen die Tschechen nicht infrage. Aber alle europakritischen Parteien, sowohl in Tschechien als auch im
europäischen Parlament, sind Parteien, die etwas verändern wollen. Ich sehe das trotzdem, bei allem Für und
Wider, als eine intelligente Politik. Immer noch..
Sechter: Es gibt unterschiedliche Meinungen. Zum ersten Mal hat die Bank mit der Abwertung einen
unkonvontionellen Schritt gemacht. Wir haben schon längere Zeit den Leitzinssatz auf einer technischen Null. Das
bremst natürlich das Wirtschaftswachstum. Es war interessant, dass die Währung davor nicht gesteuert wurde,
man hatte immer das Inflationsziel vor Augen. Man hat sich an den Zentralbanken anderer Staaten und Länder
orientiert, die ähnlich strukturiert sind und keinen Euro als Landeswährung haben, wie Polen und Schweden. Die
Abwertung war aber ein wichtiger Schritt, um das Deflationsrisiko abzuschmettern.
POWIDL: Nach wie vor gibt es - trotz EU-geförderter grenzueberschreitender Maßnahmen - noch
sehr viele Vorurteile zwischen der deutschsprachigen und tschechischsprachigen Bevölkerung.
Warum ist das nach so langer Zeit noch immer der Fall? Hat die lokale bzw. europäische Politik
versagt?.
Sechter: Sie werden es nicht glauben, aber das ist ein normales grenzüberschreitendes Mikroproblem. Das habe
ich genauso zwischen Tschechen und Polen erlebt. Ähnliches können Sie auch an der Grenze von Frankreich und
der Schweiz beobachten. Ich denke aber, oft ist es auch produktiv, dass wir so unterschiedlich sind.
Ich besuche derzeit systematisch kleine Städte in den Grenzbereichen, sowohl in Tschechien als auch in
Österreich, und lasse mir von den Funktionären und den Einwohnern erzählen, wie die Zusammenarbeit und das
Verhältnis in den letzten 25 Jahren war. Da gibt es viele Dinge zu besprechen, vor allem, was die Bürokratie
betrifft. Zum Beispiel ist der Bahnhof von Cesky Tesin auf der polnischen Seite, aber kein tschechischer Taxifahrer
darf zum Bahnhof fahren. Ähnlich verhält es sich bei dem "Blaulichtabkommen", das nun unterschriftsreif bereit
liegt. Man hat 25 Jahre gebraucht, bis man sich geeinigt hat. Man muss sich vorstellen, dass die Bürokratie in
einem Land schon kompliziert genug ist. Sind mehrere Länder miteinbezogen, multiplizieren sich die Probleme mal
drei.
POWIDL: Danke für das Interview.