Wirtschaftsimperien ohne Kontrolle, Märkte ohne Moral. Dazwischen eine junge Generation, für die es zu wenig Arbeit gibt. Das Thema "Europa ohne Arbeit - viel Arbeit für Europa" stand beim 7. internationalen Mediengipfel im traditionsreichen Wintersportort Lech im Mittelpunkt.
Die Tourismusgemeinde Lech, der Verband der Auslandspresse in Österreich und die Kommunikationsagentur pro.media luden heuer bereits zum siebenten Mal an die 100 renommierte europäische Vertreter aus Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nach Lech am Arlberg, um sich abseits von Großstadthektik und Büroalltag in der Gebirgsidylle des Arlberggebietes in einem dreitägigen Diskussionsforum mit den brennenden Fragen Europas zwischen gestern und morgen zu beschäftigen. Gleich zur Eröffnung der unter dem Motto "Europa ohne Arbeit - viel Arbeit für Europa" stehenden Veranstaltung kam Wirtschaftsforscher und Theologe Matthias Suttnerin seinem Plädoyer für bessere Kontrollmechanismen auf den internationalen Märkten auf den Punkt: Die oft geforderte Moral in den undurchschaubaren und anonymen Märkten werde es niemals geben. Nur mit scharfen Regulationsmechanismen könne man den ausufernden Exzessen Einhalt gebieten, so Suttner.
Jugend ohne Zukunft?Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier erteilte dem allgemeinen undifferenzierten Bild der Jugend eine Absage. "Die 'Generation Y' gibt es nicht", meint Heinzlmaier, denn längst definiert sich die Jugend nicht mehr über Generationszusammenhänge. Sie sei äußerst heterogen und vielschichtig. Deswegen vertrete er die These, dass die junge Generation bereits mit dem Bewußtsein aufwachse, dass unser Gemeinwesen als Ganzes in der Krise stecke. Es gäbe dabei unterschiedliche Gruppen von Jugendlichen, die unterschiedliche Strategien anwenden.
Arbeitsmarktkrise oder Strukturkrise? Unter der Leitung vonAlexandra Föderl-Schmidt, Chefredakteurin des Wiener "Standard", entbrannte eine lebhafte Diskussion über die Ursache der steigenden Arbeitslosenzahlen in der EU. Die ArbeitsmarktexpertinEva Rindfleischvon der Konrad Adenauer-Stiftung warnte davor, die arlamierenden Entwicklungen ohne Gegenmaßnahmen einfach hinzunehmen. Auch der Ökonom Stephan Schulmeister forderte eine verstärkte Bekämpfung vor allem bei der Jugendarbeitslosigkeit, die in einigen Ländern der Europäischen Union bereits eklatante Ausmaße erreicht habe.
"Es gibt keine Arbeitsmarktkrise, es gibt lediglich eine Strukturkrise", war sich Kerstin Born-Sirkel vom Brüsseler Think-Tank CEPS sicher. Daher sei die vielzitierte Jugendarbeitslosigkeit auch strukturell zu lösen, sagte Born-Sirkel. Eine ähnliche Ansicht vertrat auch derFranz Fischler, langjähriger EU-Kommissar aus Österreich, der ebenfalls strukturelle Mängel für die europäische Arbeitslosigkeit verantwortlich machte.
Hochkarätige Diskussionsrunde v.l.n.r.: Kerstin Born-Sirkel (CEPS), Franz Fischler, Stephan Schulmeister, Eva Rindfleisch (Konrad Adenauer-Stiftung), Alexandra Föderl-Schmidt (Der Standard)- Bild: pro.media kommunikation/APA-Fotoservice/Lechner
"Der Ausweg ist beschwerlich, aber er ist möglich", meinte Christian Keuschnigg, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), in seinem Impulsreferat. Die Schuldenkrise einzelner Mitgliedsstaaten sei zurzeit die größte Herausforderung für die Europäische Union. Hier eine Lösung zu finden, habe höchste Priorität.
EU-Erweiterungsdiskussion: "Quo vadis, Europa?"Soll die EU-Erweiterung im Angesicht der aktuellen Krisen und Probleme, fortgesetzt werden? In Lech kam es im berühmten Gasthof Hotel Post zu einem Zusammentreffen von Politikern aus dem Westbalkan mit Vertretern aus der Europäischer Kommission und dem Europäischem Parlament. Susanne Glass, ARD-Korrespondentin in Wien, leitete eine Diskussion, die das derzeitige Dilemma Europas auf den Punkt brachte.
"Erweiterung eher langsam angehen".Der Vizepräsident des Europäischen ParlamentesOthmar Karas nahm das Ansinnen Albaniens nicht mit großer Euphorie auf. Solange Europa seine eigenen gravierenden Probleme nicht gelöst hat, sei eine zögerliche Haltung durchaus angebracht. Zur Lösung der Krisen wünschte sich Karas eine Abkehr vom nationalen Denken der Mitgliedsstaaten. "Europapolitik muß Innenpolitik sein". Der amtierende EU-Regionalkommissar Johannes Hahn brachte seine differenzierte Haltung zu den nächsten Erweiterungsschritten zum Ausdruck. "Albanien muss EU-Mitglied werden. Die Türkei ist hingegen ein schwieriges Thema." Aufgrund des Regierungswechsels war Deutschland durch Ministerialdirektorin Claudia Dörr-Voß aus dem Wirtschaftsministerium vertreten. Die Erweiterung solle man "eher langsam angehen", meinte Dörr-Voß und deponierte gegenüber Staaten wie Albanien als EU-Mitglieder ihre Skepsis.Stefan Weiß, Chefredakteur "POWIDL.EU"
Lech - Zürs am Arlberg
Wer den Überblick sucht, muss auf den Berg gehen. Mit dem herrlichen Panorama von Lech im Hintergrund sieht man so manches aus einer neuen Perspektive. Der Mediengipfel Lech ist heuer bereits zum siebenten Mal über die Bühne
gegangen und zu einer fixen Größe für den Ort Lech geworden.Informationen zur Region Lech/Arlberg: www.lech-zuers.at
Mediengipfel 2013 in Lech:Europa ohne Arbeit - viel Arbeit für Europa
Gastgeber des Mediengipfels: ARD-Wien-Korrespondentin Susanne Glass und Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel
Bild: Florian Lechner/pro.media
Kroatien ist seit 2013 das 28. Mitglied der EU
Bild: AHK
"Alternativlos für Südosteuropa".Angekommen, wenn auch ohne allzugroße Erwartungen - so bezeichnete der kroatische Arbeitsminister Mirando Mrsic die Situation seines Landes nach vollzogenem Beitritt zur EU im Juli 2013. "Es wird noch dauern, bis wir konkrete Auswirkungen des EU-Beitritts spüren werden." Der Unterschied zu früher sei in erster Linie, dass die internen Probleme Kroatiens, die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung, nun in einem gesamteuropäischen Kontext zu betrachten seien. "Europa ist eine Einbahnstraße, es führt kein Weg zurück", sagte Albaniens Vize-Außenminister Sokol Dervishaj. Die zögerliche Haltung der alten Mitgliedsstaaten hält Dervishaj für genau das falsche Signal, das an die junge Generation in den beitrittswilligen Staaten ausgesendet werde.