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Florianiprinzip in der Flüchtlingsfrage
Knapp 1000 ertrunkene afrikanische Flüchtlinge
innerhalb einer Woche haben kurzfristig alle
anderen europäische Themen in den Schatten
gestellt. Für den EU-Sondergipfel zur
Flüchtlingsproblematik hat die tschechische
Regierung keine langen internen Diskussionen
führen müssen, die Position ist klar: Die Misere soll
"auf EU-Ebene" gelöst werden, vornehmlich "in
Afrika", und ohne verpflichtenden
Flüchtlingsquoten für die einzelnen
Mitgliedsländer.
23. 04. 2015
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Die Tschechische Republik hat sich bislang nicht sonderlich bei der Aufnahme von Asylwerbern
hervorgetan. Sie rangiert im untersten Feld der EU-Staaten und beherbergt laut Eurostat-
Studie (2013) pro 1000 Einwohner 0,07 Asylwerber. Zum Vergleich: in Deutschland sind es
statistisch 0,95, in Österreich 2,07. Daran solle sich auch nicht viel ändern, ginge es nach dem
Willen der tschechischen Regierung.
Premier Bohuslav Sobotka möchte auf europäischer Ebene "alle Maßnahmen unterstützen,
die zu einer Stabilisierung jener Länder führen, aus denen die Flüchtlinge nach Europa
strömen", wie er in einer Reaktion auf die Schiffskatastrophe im Mittelmeer gegenüber den
Medien kundtat. Welche Maßnahmen das sein könnten, und vor allem wie diese implementiert
werden sollen, blieb Sobotka allerdings schuldig. Tschechiens Außenminister Lubomir
Zaoralek möchte alles daran setzen, dass die Flüchtlinge ihren Kontinent erst gar nicht
verlassen: "Wir erleichtern kriminellen Schlepperbanden ihre Arbeit, wenn wir ohne weiteres
alle Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen, die in Europa stranden. Für die Verbrecher
würde diese Entwicklung dann zu einem noch besseren Geschäft."
Der kleine Regierungspartner KDU-CSL sieht in der jüngsten Tragödie die Fehler der
Vergangenheit als Wurzel: "Jetzt bekommen wir die Quittung dafür, dass wir auf eine solche
Flüchtlingswelle nicht vorbereitet sind. Auf den EU-Gipfeln wurde nur verbal verurteilt.
Konkrete Schritte wurden nicht gemacht, jetzt tragen wir die Folgen", meint der
christdemokratische Abgeordnete Ivan Gabal.
Regierungschef Sobotka wird jedenfalls seinen Rotstift auf die Reise zum EU-Gipfel nach
Brüssel auspacken: Sowohl europäischen Forderungen zur Wiederausweitung der Seenothilfe
im Mittelmeer, als auch für Aufnahmequoten lehnt Prag vehement ab. "Die Entscheidung über
die Aufnahme von Flüchtlingen ist allein Sache der nationalen Regierungen", so das Credo des
Premiers, der in dieser Frage gut 2/3 der tschechischen Bevölkerung auf seiner Seite sieht.
Denn was die Akzeptanz von Asylwerbern anlangt, scheint in Tschechien die Bereitschaft
dafür minimal. Die konservative Tageszeitung "Lidove noviny" stellt ihren Mitbürgern kein
gutes Zeugnis aus. "Die große Mehrheit ist sich über die Toten im Mittelmeer einig:
Wenigstens sind sie auf diese Art nicht bis zu uns gekommen." - und legt den Finger auf eine
noch nicht verheilte Wunde: "Wie hätte es diesen Dummköpfen wohl gefallen, wenn man
ihnen vor 1989 vorgeworfen hätte, sie wollten nur am Reichtum des Westens partizipieren
und vor allem stehlen?"
Kommentar:
Tauch-Station
"Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' d' Nachbarn an!" - Diese Art von Florian
wird zusehends zum Schutzpatron eines sich in die unterschiedlichsten Eigeninteressen der
einzelnen Staaten auflösenden Europas. Den Tschechen in seinen Alltagssorgen lassen die
Boat-People im Mittelmeer relativ kalt - sogar wenn wie jetzt in nur einer Woche 1000 Tote
zu beklagen sind. Andererseits wird es den Sizilianer wenig interessieren, sollten einmal
aufgrund von unvorhersehbaren politischen Ereignissen Abertausende von Menschen über die
Karpaten nach Mitteleuropa strömen.
Dass die EU an einen Punkt angelangt ist, an dem die Gründungsidee des Nachkriegs-Europa
nicht mehr existent ist, muss sich nun auch der glühendste EU-phoriker eingestehen. Von den
Unionsrepräsentanten (Juncker? Tusk? Schulz?) ist kaum etwas Konkretes zu hören,
während die nationalen Repräsentanten Forderungen aller Art aufstellen. Somit ist der EU-
Sondergipfel wieder nur ein Konzert in Moll der Brüsseler Kakophonie, das nach kurzer Zeit
im Wind verhallt, und die Voraussetzungen für eine mögliche nächste, noch größere
Katastrophe bringt.
Schwammige, allgemein gehaltene Floskeln sind zu wenig in Anbetracht der Tatsache, dass
sich die Situation in Nordafrika zusehends verschärft. Die Tauch-Station Politik der
europäischen Führung von heute ist höchstens die Grundlage weiteres Massensterben von
morgen. Dass Prag mit seinen reichen Erfahrungsschatz der jüngsten Geschichte nicht mehr
als ein Paket voller "Nein" in petto hat, ist schade. Was die wenigsten bedenken: Das
Florianiprinzip schützt das eigene Haus keineswegs. Es führt eher zu einem Flächenbrand.
Bild: you toube
Ex-Premier verstirbt 45-jährig in Prag
"Vsechno parada - Alles Parade" sagen die
Tschechen, wenn es ihnen gut geht, und wenn
alles von selber läuft. "Alles Parade" also auch
bei Milos Zemans "Paraden-gate"-Affäre, denn
für den Präsidenten heißt es nun definitiv:
"keine Parade".
Richtig - es geht um den nun seit Wochen
andauernden Streit, ob Zeman bei der
russischen Militärparade zu Ehren des Sieges
der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg
anwesend sein wird, oder nicht.
Nachdem der Staatschef stets auf seine Teilnahme beharrt hatte, kam während der vergangenen
Woche der plötzliche Meinungsumschwung. Über seinen Sprecher ließ Zeman mitteilen, dass er
zwar am 9. Mai nach Moskau fliegen wird, aber anstatt der Parade ein Alternativprogramm
gemeinsam mit dem slowakischen Premier Robert Fico bestreiten wird.
Mit diesem Kompromiss ist nun auch der Frieden mit der Regierung wieder hergestellt. Weil sich
Premier Bohuslav Sobotka an die EU-amerikanischen Sanktionen gegen Russland gebunden sieht,
hat er sich vehement gegen Zemans Alleingang ausgesprochen. Dieser hat wohl, nachdem er mit
dem Hausverbot für den amerikanischen Botschafter auf der Prager Burg den Bogen überspannt
hatte, letztendlich auch dem Druck aus Washington und Brüssel nachgeben müssen. Keine Parade
- vsechno parada.
Tschechiens Politiker begrüßen Zemans Einlenken
23. 04. 2015
23.04.2015
Bild: wikimedia
Als er im Jahr 2004 zum Premier Tschechiens vereidigt
wurde, war er mit 34 Jahren einer der jüngsten
Regierungschefs die Europa je hatte. Der
sozialdemokratische Kaderpolitiker Stanislav Gross galt als
Hoffnungsträger seiner Partei und als Zeichen der
Erneuerung der politischen Klasse. Als Politiker ist er
letztendlich an sich selber gescheitert, am 16. April ist er
der heimtückischen Nervenkrankheit ALS erlegen.
Der Jungpolitiker Gross galt als die tschechische Antwort
auf die neue sozialdemokratische Politikergeneration, die
von Tony Blair oder Gerhard Schröder verkörpert wurde: Der
smarte, telegene Prager Yuppie-Sozi der bekannt war für
seine flotten Sprüche. Dass seine Amtszeit nur gut zehn
Monate angedauert hat, war wohl auch die Kehrseite seines
Lebensstils.
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Dubiose Gebarungen im Zuge eines Kredits für seine Prager Luxuswohnung und fragwürdige
unternehmerische Tätigkeiten seiner Frau bescherten das frühe Aus des Premiers.
Auch die akademische Karriere Gross' war zu Lebzeiten Gegenstand von Diskussionen. 2004
erlangte er den in Tschechien verbreiteten "kleinen Doktortitel" der Rechtswissenschaften
(JUDr.) mit einer Diplomarbeit im Umfang von nur 33 Seiten. Nach seiner Polit-Karriere lebte
Gross als Anwalt in Prag und auf seinem Anwesen in Florida. In einem letzten, berührenden
Interview, bei dem er bereits von seiner schweren Krankheit gezeichnet war, entschuldigte
sich Gross bei den Tschechen, die ihm einst vertraut haben, und die sich getäuscht gefühlt
haben.
Bild: wikipedia
TERMINE:
27.4., 17.30
Kamingespräch Hannes
Androsch & Karel
Schwarzenberg
Palais Hlozek von Zampach
Prag 1, Kanovicka 4
5.-6.5.
Kongress Stainless
Messe Brünn
Brünn, Vystaviste 1
5.5., 19.00
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Prag 1, Narodni 40
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25.4., ab 12.30
Australian/New Zealand
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Prag 1, U Plovarny 8
26.4., ab 13.30
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Prag 5, Radotinska 69