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Ivan Fuksa
Präsidentenwahl 2013
Die erste Runde der ersten freien Präsidentenwahl ist geschlagen und das Ergebnis ist
zumindest teilweise überraschend. Milos Zeman (Partei der Bürgerrechte) 24,2% und Karel
Schwarzenberg (TOP 09) 23,4% werden die Stichwahl in zwei Wochen bestreiten.
Fakt ist auch, dass die Meinungsforscher ihr Geld nicht wert waren und die tschechischen
Wähler einmal mehr bewiesen, dass sie sich nicht in die Karten schauen lassen.
Die wirtschaftsliberale ODS war einst eine staatstragende Partei. In der jetzigen Krise konnte ihr Kandidat
Premysl Sobotka kaum mehr als eine Statistenrolle spielen. Das gleiche gilt für die TV-Moderatorin und
Ex-Europaparlamentarierin Jana Bobosikova, die christdemokratische Ex-Gesundheitsministerin und
Europaabgeordente Zuzana Roithova und Bürgerrechtsaktivistin Tana Fischerova.
Der Ex-Kommunist und bislang oberste Statistiker des Landes
übernahm 2009 als Chef eines "Expertenkabinettes" das Amt des
Premiers, das zu jenem Zeitpunkt nach der Ära Topolanek (Stichwort
Berlusconi-Parties) im Ansehen am Tiefpunkt war. Fischer gelang es
zwar, die verpatzte EU-Präsidentschaft Tschechiens zu retten und die
Gesetzgebungsperiode ohne Skandale bis 2010 zu Ende zu führen,
es ist ihm aber nie gelungen, die Herzen der Bevölkerung zu
erreichen und sein Image als trockener Bürokrat loszuwerden.
Milos Zeman (Partei der Bürgerrechte) kam 1998 als erster sozialdemokratischer
Premier der Tschechischen Republik nach einem populistischen Wahlkampf an die
Macht. Er führte eine CSSD-Minderheitsregierung, führte aber durch den
Oppositionspakt mit der bürgerlichen ODS quasi eine Große Koalition. 2002 zog
sich Zeman aus der Regierung zurück, nach einem Streit mit dem parteiinternen
Erzrivalen Jiri Paroubek spaltete sich Zeman mit seinen Gefolgsleuten 2007 als
"Partei der Bürgerrechte" ab. Zeman muss Teile der Sozialdemokratie wieder auf
sich vereinen, um bei der Wahl zu reüssieren.
Für die Sozialdemokraten trat Jiri Dienstbier jr. an. Der 1969 in
Washington geborene Sohn des ersten Außenministers der
demokratischen Tschechoslowakei, Jiri Dienstbier sen., ist
Vizevorsitzender der CSSD. Der studierte Jurist hat sich bei den
Senatswahlen im mittelböhmischen Kladno durchgesetzt.
Außenminister Fürst Karel Schwarzenberg gilt als
Urgestein in der tschechischen Politik. Der tschechisch-
österreichische Doppelstaatsbürger kennt als enger
Vertrauter Vaclav Havels die Prager Burg wie kein Zweiter.
Eindeutiger Liebling der Boulevard-Medien ist der Prager Komponist und
Maler Vladimir Franz. Mit seiner Ganzkörpertätowierung sorgt der
Professor an der Akademie der Musischen Künste in Prag für Aufsehen.
Bei Internet-Abstimmungen konnte er die größte Popularität aller
Kandidaten verbuchen (Quelle: Denik.cz).
Jiri Dienstbier jr. (CSSD)
Karel Schwarzenberg (TOP'09)
Vladimir Franz (parteilos)
Weitere
Präsidentschafts-
Kandidaten:
Ing. Jana Bobosikova
"Suverenita"
MUDr. Premysl Sobotka
ODS
MUDr. Zuzana Roithova
KDU-CSL
Prognose*: 28,1%, 20,1%
Prognose*: 19,4%, 25,1%
Prognose*: 8,8%, 10,6%
Prognose*: 6,7%, 11,0%
Prognose*: 5,6%, 11,4%
Prognose*: 6,4%, 7,1%
Prognose*: 4,3%, 5,6%
*) Quelle: PPM
Factum,
12.11.2012,
6.1.2013
Prognose*: 2,9%, 4,6%
Verlierer der Wahl ist der als parteilos geltende und bei den ersten Umfragen sogar als
Favorit gehandelte Jan Fischer. Zwar war Fischer bei den letzten Prognosen nur mehr
auf Position zwei hinter Milos Zeman eingestuft worden, dennoch galt die Stichwahl für
ihn, laut Experten, als sicher. Die eigentliche Überraschung ist, dass Außenminister
Karel Schwarzenberg, dem die Meinungsforscher bei der letzten Umfrage mit 11 Prozent
maximal geringe Außenseiterchancen einräumten, vor allem in den letzten Tagen bei
den Wählern punkten konnte. Mitentscheidend dürfte der Aufruf seiner
Dissidentenkollegen kurz vor der Wahl gewesen sein, die im Sinn von Vaclav Havel an
die Seele des Volkes appellierten. Ein politisch kluger Schachzug, der Schwarzenbergs
Mitstreiter keinerlei Zeit mehr für Gegenmaßnahmen ließ. Stärker als erwartet schnitt
der für die Sozialdemokraten angetretene Sohn des ersten Außenministers der
demokratischen Tschechoslowakei Jiri Dienstbier jun. ab, der mit 16,12 Prozent fast
gleichauf mit Jan Fischer (16,35 Prozent) rangiert. Unter seinen Erwartungen blieb das
Enfant terrible der Präsidentschaftswahl, der Künstler und Komponist Vladimir Franz,
der mit 6,84 Prozent der Stimmen deutlich hinter den Prognosen blieb.
Die Stichwahl findet am 25. und 26. Jänner statt, Dementsprechend gaben sich die
Kanditaten bereits nach Bekanntgabe des Ergebnisses kämpferisch.
Zeman repräsentiere die Vergangenheit, sagte Schwarzenberg am Samstag vor seinen
Anhängern in Prag. "Innerhalb der nächsten zwei Wochen wird sich die politische
Ausrichtung der Tschechischen Republik entscheiden“, warnte der tschechische
Außenminister. Tschechien müsse wieder einen Platz im Herzen Europas finden.
Der Konter Zemans ließ nicht lange auf sich warten. Der 68-Jährige warf Schwarzenberg
vor, dass er als Außenminister die Sparpolitik der Regierung mitzuverantworten habe.
23,40%
16,35%
16,12%
6,84%
Tana Fischerova
parteilos
Prognose*: 4,6%, 4,6%
4,95%
3,23%
2,46%
2,5%
Der tschechische Wähler -
Immer für eine Überraschung gut
Bei den beiden Wahlsiegern Milos Zeman und Karel Schwarzenberg ist alles eitel wonne. Während
der Linkspopulist Zeman seinen polternden Kurs bestätigt sieht, freut sich Schwarzenberg über seinen
unverhofften Triumph. Dass Zeman in der zweiten Runde steht, daran hat nie jemand gezweifelt. Zeman
räumte in Mähren, in den ländlichen Gebieten und in Nordböhmen ab. Schwarzenberg - immerhin
Vizepremier der ungeliebten Necas-Regierung - hatte man das Weiterkommen aber keinesfalls
zugetraut. Der Glanz vergangener Jahre sei ab, Schwarzenberg habe sich im Amt verbraucht, und wozu
tut sich der alte Fürst das alles überhaupt an? Am Wahlabend wurde die Stimmung in Schwarzenbergs
Wahlkampfzentrale von Minute zu Minute ausgelassener. Der Fürst profitierte von der sensationell
hohen Wahlbeteitigung von gut 2/3 der Wahlberechtigten - auch das ist eine große Überraschung in
dem als politikmüde geltenden Land. Der Aufruf von ehemaligen Dissidenten, "im Sinne Vaclav Havels"
wählen zu gehen, haben sich die Tschechinnen und Tschechen zu Herzen genommen.
Zeman gegen Schwarzenberg - das Duell um die Prager Burg ist eröffnet und die wichtigsten
Reibezonen sind abgesteckt: Schwarzenberg bezeichnete seinen Kontrahenten am Wahlabend bereits
als "Mann der Vergangenheit", während der bodenständige Zeman schlagfertig konterte:
"Schwarzenberg repräsentiert die Gegenwart" (die Necas-Regierung). Der Außenminister hat aber nicht
vor, aus dem Amt zu scheiden, während sich Zeman auf der anderen Seite Probleme mit der
slowakischen Presse eingehandelt hat. Als Reaktion auf einen allzukritischen Bericht über ihn in der
Tageszeitung "Sme", der Zemans Demokratieverständnis mit dem des slowakischen Ex-
Regierungschefs Vladimir Meciar verglich, spricht er mit keinem Medienvertreter der Slowakei mehr.
Der Mitfavorit des ersten Wahlganges, Jan Fischer, ist die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Er hat
stets auf seine Unabhängigkeit gebaut, jetzt werde eben wieder ein Parteimann tschechischer Präsident,
meinte Fischer in einer ersten Reaktion. Jiri Dienstbier jun., der stellvertretende Parteivorsitzende der
Sozialdemokraten, will dezidiert im zweiten Wahlgang den Ex-CSSD-Chef Zeman nicht unterstützen und
unterläuft damit die Parteilinie, die der Vorsitzende Bohuslav Sobotka vorgegeben hat. Auch Prof.
Vladimir Franz musste zur Kenntnisnehmen, dass eine Präsidentschaftswahl durch das Volk kein
Internetvoting ist.
Diese Wahlen waren für die Partei des Premiers Petr Necas ein Begräbnis erster Klasse. Der ODS-
Kandidat Premysl Sobotka, der die volle Unterstützung der Partei genossen hat, fiel mit Pauken und
Granaten durch und landete auf dem letzten (!) Platz der neun Kandidaten. Nur noch jeder Vierzigster
aller zur Wahl gegangenen Tschechen vertraute dem ODS-Mann! Vernichtender kann ein Wählerurteil
nicht mehr sein. Selbst der langjährige ODS-Chef und Noch-Staatspräsident Vaclav Klaus hat die
Niederlage der Konservativen eingestanden und macht sich große Sorgen um die einst so mächtige
Staatspartei.