POWIDL im neuen Gewand!
Neues Layout, aktueller, übersichtlicher
Wirtschafts-veranstaltungen
Deutsche Sprache in der Abseitsfalle?
Der zu Ende gegangene NATO-Gipfel in Madrid und die bevorstehende tschechische EU-Ratspräsidentschaft waren Anlass zu einer breiten Diskussion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ČT mit tschechischen Europapolitikern. Die Debatte gab den Teilnehmern Gelegenheit, eine Halbjahresbilanz zu ziehen, und ihre außenpolitischen Standpunkte darzulegen. Anders als in den Jahren zuvor, gab es dabei viele inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen der Regierungskoalition und der Opposition. Die ANO-Bewegung des abgewählten Premiers Andrej Babiš unterstützte im Wesentlichen die aktuelle Europa- und Sicherheitspolitik Tschechiens, Widerspruch kam vor allem von der rechten SPD.
Tschechische Politiker über die Sicherheitslage und die EU-Ratspräsidentschaft
NETWORKING IN TSCHECHIEN:
Politiker der meisten politischen
Parteien, einschließlich der Oppositionspartei ANO, zeigten sich nach
dem Madrider NATO-Gipfel zufrieden. Alexandr Vondra,
stellvertretender ODS-Vorsitzender und Europaabgeordneter, ist mit
den Ergebnissen des Madrider Gipfels sehr zufrieden. Er lobte die
Einigung über die Aufnahme Finnlands und Schwedens, die er als
"willkommene Mitglieder" bezeichnete, sowie den
NATO-Beschluss, die Ukraine mit zusätzlichen Waffenlieferungen zu
unterstützen. Er befürwortete auch das Vorhaben, den östlichen
Flügel des Bündnisses militärisch zu stärken. "Die NATO ist
die handlungsorientierteste der westlichen Organisationen, sie führt
die Reaktion an, hält aber gleichzeitig den Rahmen des ihr erteilten
Mandats. Es handelt sich um eine kollektive
Verteidigungsorganisation, nicht um ein Gremium, das sich mit jedem
Brand in der Welt befasst", erklärte er.
Marcel Kolaja, erster stellvertretender
Vorsitzender der Piraten und Europaabgeordneter, ist ebenfalls
zufrieden. "Es gibt überhaupt nichts, was mich enttäuscht. Ich
bin sehr froh, dass die Türkei umgeschwenkt ist und Finnland und
Schweden in die Aufnahme in die NATO ermöglicht hat", bewertete
er den Madrider Gipfel der Nordatlantischen Allianz.
Auch Karel Havlíček, Vize-Obmann der
Oppositionspartei ANO und stellvertretender Sprecher der
Abgeordnetenkammer, hat keine großen Vorbehalte gegenüber den
Ergebnissen des Bündnisgipfels. Er war überrascht, wie schnell der
Beitritt der beiden skandinavischen Länder genehmigt wurde. "Waffen
für die Ukraine eskalieren den Krieg", entgegnete Ivan David,
Europaparlamentarier von der SPD. Havlíček vertrat jedoch die Meinung,
dass die Ukraine "auf allen Ebenen weiter unterstützt werden
muss". Er nannte die Unterstützung der Wirtschaft, die Hilfe
für Flüchtlinge, aber auch Waffenlieferungen.
Eine diplomatische Lösung des
Konflikts hielt der frühere ANO-Industrieminister nicht für
ausgeschlossen, auch wenn der Kreml deutlich gemacht hat, dass er nur
dann zu Verhandlungen bereit ist, wenn die Ukraine ihre Waffen
niederlegt. "Es wird immer starke Worte geben. Das heißt aber
nicht, dass es sich nicht lohnt, Verhandlungen zu führen",
meinte Havlíček. David betonte die Wichtigkeit diplomatischer
Verhandlungen: "Selbst Moskau kann seine Position ändern, wenn
es einen Ausweg gibt", meinte er. Der SPD-Politiker kritisierte
den Deal mit der Türkei zur Aufnahme Schwedens und Finnlands. Die
Menschenrechtssituation bei den Kurden werde darunter stark leiden,
warnte David.
Die Fernsehdiskussion drehte sich auch
um den bevorstehenden EU-Ratsvorsitz der Tschechischen Republik.
Havlíček sagte, er erwarte nicht, dass die tschechischen
Regierungspolitiker "Europa raparieren" werden. "Sie
schaffen es nicht einmal hier, also frage ich mich, wie sie es in
Europa schaffen wollen", spottete der Ex-Minister und
kritisierte die Zustimmung Tschechiens beim EU-Umweltministerrat,
welche ein Verkaufsverbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ab
2035 ermöglicht hat. Vondra konterte darauf, dass sich ANO in ihrer
Zeit als Regierungspartei ebenfalls nicht gegen dieses Verbot
ausgesprochen hat. Der Pirat Kolaja machte die alte
Regierung unter Babiš auch dafür verantwortlich, dass für die Vorbereitungen auf den Ratsvorsitz sehr wenig Budget genehmigt worden ist.
Dass das Thema Energie zu den größten
Aufgaben der tschechischen Präsidentschaft zählen wird, darüber
gab es Konsens aus allen politischen Lagern. "Wenn die
Wirtschaft bedroht ist, ist auch die soziale Situation der EU-Bürger
bedroht und das hat natürlich sehr negative Folgen", warnte
David. Havlíček forderte, die Tschechische Republik sollte sich
auch dafür einsetzen, dass Atomkraft und Gas zu den nachhaltigen
Energiequellen gezählt werden.
Vondra gab Havlíček "mehr oder
weniger" Recht und fügte hinzu, dass auch die Inflation ein
wichtiges Thema der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft sein werde.
Er wies weiters auf die Gefahr für die Eurozone hin, die eine
erhöhte Inflation mit sich bringen würde."Jeder kleiner
Anstieg bedeutet natürlich ein dramatisches Problem für
hochverschuldete Länder", sagte der ODS-Europaabgeordnete im
Hinblick auf die südlichen Eurostaaten. Die EZB zögere immer noch,
die Zinssätze zu erhöhen, so Vondra.
Auch der Pirat Kolaja sah die Energie
als zentrales Thema. Die Inflation, mit der die europäischen Länder
konfrontiert sind, bezeichnet er als "Fossilflation". "Weil
der Preis für fossile Brennstoffe gestiegen ist, ist es dazu
gekommen. Das bedeutet, dass es darauf ankommt, sich schrittweise aus
der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen und so schnell
wie möglich auf erneuerbare Energien umzusteigen", so der
Piraten-Europa-Abgeordnete.
NATO-Generalsekretär Jens Stolzenberg (l.) und US-Präsident Joe Biden (r.)