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Pavel Kohout - Plädoyer für ein
gemeinsames Europa der
Zivilgesellschaften
"Bleiben auch Sie egoistisch, damit uns niemand
mehr teilen und beherrschen kann."
In großem Rahmen wurde ausgerechnet im Landesgericht für
Strafsachen in Wien die Diskussionsveranstaltung "Charta 77 -
Menschenrechte und Bürgerrechtsbewegung" mit dem
Dissidenten und Dramatiker Pavel Kohout abgehalten. Das
Landesgericht Wien und das Mährische Landesmuseum Brünn
luden zu dieser Diskussion, bei der Kohout den Akademie-Preis
für besondere Verdienste um die österreichisch-tschechischen
Beziehungen von der Waldviertel Akademie entgegennahm.
Kohout würdigte in seiner Dankesrede den europäischen
Integrationsprozess als Meilenstein der Geschichte des
ausklingenden 20. Jahrhunderts und sprach sich - bei aller
berechtigter Kritik - für die Europäische Union aus. "Für eine der
schlimmsten Parolen, die im Laufe der Jahrhunderte für
Abermillionen von Toten und Versklavten gesorgt hat, halte ich
die Losung 'Divide et impera!' - 'Teile und beherrsche!' Deswegen
empfinde ich als sensationelles Geschenk des Himmels trotz
aller ihrer Schwächen - die Europäische Union.
Allein der Gedanke, dass ich mit all den
Warlords, die überall die lokale Macht an sich
zu reißen versuchen, wieder in einem umzäunten
Teil von Europa leben müsste, wo sie uns besser
beherrschen könnten, verursacht mir eine
Gänsehaut. Wie alles, was der Mensch
geschaffen hat, ist und bleibt auch die EU
ständig reparaturbedürftig, aber ihr Ende wäre
der Anfang einer neuen Eiszeit, in der beim
heutigen Stand der Repressionsmittel kaum
noch eine neue Erwärmung zu erwarten wäre.
Jede Bemühung, die Völker Europas
zusammenzuhalten, um neue Grenzen zu
verhindern, ist deswegen lebenswichtig. Wenn
ich Ihrer Meinung nach dazu beigetragen habe,
dann tat ich es ganz egoistisch für mich selbst
und meine Nachkommen. Bleiben auch Sie
genau so egoistisch, damit uns keiner mehr
teilen und beherrschen kann!", sagte Kohout in
Wien.
Denker, Dichter, Dissident -
Charta-77-Unterzeichner Pavel Kohout
Pavel Kohout
Kohout wurde am 20. Juli 1928 in Prag geboren. Im Jahr 1946 trat er in die Kommunistische Partei
der Tschechoslowakei ein, im Jahr 1969 wurde er aus derselben ausgeschlossen. Gemeinsam mit dem
späteren Präsidenten der CSFR Vaclav Havel verfasste er 1977 das Gründungsdokument der
Bürgerbewegung Charta 77. Für seine Teilnahme an dieser Bürgerinitiative hat man ihn im Jahr
1977 gemeinsam mit seiner Frau seiner Wohnung in Prag zwangsweise verwiesen, im Jahr 1979
gegen seinen Willen nach Österreich abgeschoben, und ihm die tschechische Staatsbürgerschaft
aberkannt. Im folgenden Jahr erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft, im Jahr 1990 bekam
er seine tschechoslowakische zurück. Heute ist er Staatsbürger zweier Mitgliedsländer der
Europäischen Union. Er lebt, arbeitet und wählt sowohl in Prag als auch in Wien. Kohout wurden
in den letzten Jahrzehnten mehrmals ausgezeichnet, u.a. erhielt er 1977 den Großen
Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur, 1998 das Österreichische Ehrenkreuz für
Wissenschaft und Kunst 1. Klasse sowie 2002 das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik
Deutschland. Zuletzt in Buchform erschienen sind u.a. seine Titel "Der Fremde und die schöne
Frau" (Osburg Verlag 2011), "Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel" (Osburg Verlag 2010),
und "Die Schlinge" (Osburg Verlag 2009).
Quelle: Waldviertel Akademie
v.l.n.r.: vorne - Ernst Wurz( WA-Vorsitzender), Jelena Masinov (Kohouts Gattin),
Pavel Kohout, Gertrude Marek (Landesberufschuldirektorin); hinten - Pauline
Gschwandtner, Christoph Mayer, Gerhard Proißl (alle WA)