"Wenn der Kunde zustimmt, muss
der Finanzberater angemessen damit umgehen", sagte Martin Špolc, einer der
ranghöchsten tschechischen Beamten in Brüssel, der die Abteilung für
nachhaltige Finanzen leitet, gegenüber dem Wochenmagazin "Euro".
Laut
Špolc wird die entsprechende Gesetzgebung Anfang dieses Jahres
verabschiedet. "Der Kunde muss genau informiert werden, wenn er in
nachhaltige Vermögenswerte investieren möchte, und er kann auch bestimmen,
beispielsweise, dass er nicht in Kohle oder in bestimmte Bereiche wie die
Rüstungsindustrie oder das Glücksspiel investieren möchte", fügte er hinzu.
Die
Änderung folgt der revolutionären Gesetzgebung, die das Europäische Parlament
Ende vergangenen Jahres beschlossen hat. Die sogenannte Taxonomie
bestimmt, welche Geschäftsaktivitäten in Zukunft als umweltfreundlich eingestuft
werden. Zum Beispiel Energielevels von Gebäuden, in denen angegeben ist,
wie energiesparend das Objekt ist. In den kommenden Jahren müssen ähnliche
Levels alle Finanzprodukte von Unternehmen haben, die in der Europäischen Union
tätig sind.
Das
Pariser Abkommen, zu dessen Einhaltung sich die Europäische Union verpflichtet
hat, sieht vor, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten
Dies erfordert jedoch massive Investitionen in umweltfreundliche
Technologien. Die Europäische Kommission schätzt, dass 180 bis 290 Mrd.
EUR pro Jahr an Investitionskapitel notwendig sein werden, um die
Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Der
Finanzsektor soll als eines der Finanzierungsinstrumente für diese
Transformationen dienen. Die öffentlichen Mittel werden dafür keinesfalls
ausreichen und so müssen laut der Union "private Ressourcen genutzt
werden". Da
spießt sich die ganze Sache aber, da die vorgeschlagenen Änderungen den
gesamten Finanzsektor auf den Kopf stellen könnten. Die EU setzt sich für
eine aktive Verwaltung der privaten Mittel und der privaten Geschäftstätigkeit
ein. Im Wesentlichen ist festgelegt, wo der Markt seine Ressourcen
einsetzen soll, was den Aktionsradius der privaten Marktplayer stark einschränkt.
In
der Tschechischen Republik ist dies insbesondere im Zusammenhang mit der
Kernenergie von Bedeutung, die die Regierung als Hauptersatz für Energie aus
fossilen Brennstoffen, insbesondere Kohle, verwenden will. Kohlekraftwerke
produzieren aber noch heute die Hälfte des in der Tschechischen Republik
erzeugten Stroms.
Nukleare
Tschechische Republik
Die
Rolle der Kernenergie in Europa hat den größten Kampf bei der Genehmigung der
Taxonomie geschlagen. Das Europäische Parlament wollte die Kernenergie
ausdrücklich ausschließen, um klarzustellen, dass sie - wie die aus Kohle
gewonnene Energie - keine alternative Ressource darstellt. Unter dem Druck
von Mitgliedsländern wie Frankreich, den Visegrád-Ländern sowie Slowenien, wurde jedoch der Grundsatz der technologischen Neutralität
beibehalten. "Die Kernenergie wird im Text der vereinbarten Gesetzgebung
weder ausdrücklich anerkannt noch ausdrücklich ausgeschlossen und wird von der
Europäischen Kommission wie jede andere Technologie eingestuft. Bis Ende
2020 wird entschieden, ob Kernenergie als nachhaltig angesehen werden kann oder
nicht", sagte Špolc, der die Verhandlungen im Auftrag der Europäischen
Kommission leitete.
Der
Teufel liegt jedoch im Detail. Die Kernenergie erfüllt die in der
Gesetzgebung angeführte Bedingung, da sie als nachhaltig angesehen wird, weil
sie erheblich zur Emissionsminderung beiträgt. Die zweite Bedingung, dass
"andere Umweltziele nicht gefährdet werden dürfen", ist durch die
Erzeugung von Atommüll aber keinesfalls erfüllt.
Die
Verhandlungen werden heuer - auf der Grundlage der Taxonomie - fortgesetzt, mit
dem Ziel, einen detaillierten Katalog zu erstellen, was als umweltfreundlich
gilt, und was nicht. Ab Dezember 2021 muss offengelegt werden, inwieweit
die Produkte den Klimazielen entsprechen, und ab Dezember 2022 sollen die
Umweltziele noch erweitert werden.
Für
Banken und Finanzinstitute steigt die Verpflichtung, ihre Aktivitäten im
Hinblick auf die Umwelt genau zu beschreiben. Die Sache ist neu, und die
meisten inländischen Banken haben laut einer Umfrage der tschechischen
Wochenzeitung "Euro" noch keine konkrete Vorstellung, wie das aussehen
könnte. Globale Banken befürchten, dass die neuen Vorschriften zu einer
Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu außereuropäischen Konkurrenten
führen könnten. "Wir sorgen uns in erster Linie um Daten und globale
Konsistenz", meint Ilan Jacobs,
Co-Head European Government Affairs bei Citi. "Die Taxonomie einer
nachhaltigen Finanzierung wird nur dann effektiv sein, wenn wir über klare,
zuverlässige und vergleichbare Daten verfügen, um die wirtschaftliche Aktivität
zu messen, auf der die Investitionen basieren", fügte er hinzu.
Jacobs
zufolge könnten im Extremfall massive Kapitalflüsse auftreten, die bestimmte
Sektoren destabilisieren könnten. "Es ist möglich, dass diejenigen
Aktivitäten und Vermögenswerte, die von der Taxonomie nicht als nachhaltig
eingestuft werden, aber immer noch sehr wichtig für die Gesellschaft sind, nach
und nach unter Kapitalmangel leiden könnten", sagte er. Dies könnte
zu enormen Wertveränderungen von Vermögenswerten führen. Beispielsweise werden
Unternehmen, die für nicht nachhaltig erklärt würden, Schwierigkeiten haben,
Finanzmittel zu erhalten, und ihr Wert wird erheblich sinken, oder ihre
Produkte werden erheblich teurer, was letztendlich von den Verbrauchern bezahlt
werden muss. Dies sind in der Regel alle mit Kohle zusammenhängenden
Geschäftstätigkeiten, möglicherweise auch Atomenergie, die Zementproduktion, unwirtschaftliche
Gebäude oder landwirtschaftliche Technologien. Für die Tschechische
Republik, das am stärksten industrialisierte Land Europas, wird es von
entscheidender Bedeutung sein, über die Unterstützung für eine schrittweise
Änderung der Wirtschaftsstruktur zu verhandeln.
Radikale Maßnahmen
"Grün" ist jetzt jene Farbe der Europäischen Union, die alle Aktivitäten beinflusst und
in die Intimsphäre und Grundlagen des Bankensystems
eindringt. Beispielsweise arbeitet die EBA an Vorschlägen zur Anpassung
der Eigenkapitalanforderungen für Banken. "Es wird auch daran gearbeitet,
eine zusätzliche Eigenkapitalanforderung einzuführen, wenn die Bank
Vermögenswerte in ihrer Bilanz hat, die sich letztendlich negativ auf die
Stabilität der Bank im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit auswirken könnten",
sagte Špolc. Wenn eine Bank beispielsweise weiterhin Kohlekraftwerke
finanziert und diese für die nächsten 30 Jahre mit Krediten versorgt, wird sie
für mehr Eigenkapital zur Deckung potenzieller Risiken sorgen müssen.
Auch
hier ist die Kontroverse gewaltig, da die Banken erneut gezwungen sind, eine
bestimmte Art von Vermögenswerten zu bevorzugen. Eine Umfrage der
Wochenzeitung "Euro" zeigt, dass bisher niemand weiß, wie man Klimarisiken in
Preismodelle einbezieht. "Das Problem ist, dass dieses Klimarisiko eher
langfristig oder mittelfristig ist. Banken können Kredite, die sie seit
mehreren Jahren gewähren, nicht mehr in dieser Form vergeben. Jedenfalls
kann ich mir noch nicht vorstellen wie das gehen soll. Ich bin selbst neugierig",
sagte der ehemalige ČNB-Gouverneur Zdeněk Tůma kürzlich in einem Interview mit "Euro".
"Wenn wir in fünf Jahren feststellen,
dass sich der Finanzsektor nicht so entwickelt hat, wie vorgesehen, und noch
immer nur ein bis zwei Prozent des Kapitals für Finanzierungen von nachhaltigen
Projekten ausgibt, ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass das Europäische
Parlament und die Staaten der Union weitaus radikalere Schritte unternehmen
müssen", sagte Martin Špolc. So könnten die aktuellen Anlageempfehlungen
künftig zur Verpflichtung werden. "Es ist ein wirklich
umweltfreundlicher Fünfjahresplan, aber wenn der Finanzsektor sein Verhalten
und seine Investitionsstrategie nicht wesentlich ändert, wird es in fünf Jahren
ein großes Problem geben", fügt er hinzu. Es stehen dramatische
Zeiten bevor.
Quelle: Euro.cz