Sie
haben beschlossen, die größte Industriemesse in Mitteleuropa
abzusagen. Was waren die Hauptgründe?
Der
Hauptgrund ist die anhaltende Coronovirus-Krise. Im März hofften
wir, dass alles irgendwann im Mai enden und normal weitergehen wird. Aber
jetzt hören wir, dass die Situation bis Ende des Jahres andauern
könnte. Die MSV ist eine große, prestigeträchtige internationale
Veranstaltung, sodass wir alle Risiken rund um die Veranstaltung
berücksichtigen mussten. Die Bedingungen für Organisatoren von
Veranstaltungen, einschließlich Messen, sind in Tschechien leider
so festgelegt, dass schon eine normale mittelgroße Messe nicht
durchführbar ist. Ganz zu schweigen von einer Messe im Ausmaß von der MSV.
Warum
haben Sie jetzt entschieden und nicht abgewartet? Immerhin sollte es
im Sommer zur weiteren Lockerung kommen.
Es
war unmöglich zu warten. Wir haben bereits bis zehn Minuten nach
zwölf gewartet. Wir konnten die Entscheidung nicht bis ins
Unendliche hinausziehen. Auf die Aussteller und auch auf uns würden
zusätzliche Kosten für die Vorbereitung zukommen, und die Gefahr
einer Fehlinvestition ist einfach zu groß. Niemand riskiert das. Und
die derzeitige Verschlechterung der Situation da oder dort
rechtfertigt die Entscheidung.
.
Auf
einer Pressekonferenz des Gesundheitsministeriums wurde bekannt
gegeben, dass auf den Messen bis zu 5.000 Personen anwesend sein
dürfen.
Das
wurde angekündigt, aber die Bedingungen sind für Messeveranstalter
absolut nicht umsetzbar. Die Aussagen sind irreführend. Diese
Vorgaben kann man möglicherweise in Stadien wie der O2-Arena
erfüllen, aber keinesfalls bei einer Messeveranstaltung. Eine
Ausstellung kann nicht auf Teilsektoren unterteilt werden, wobei sich die
Menschen nicht zwischen den Sektoren bewegen dürfen.
Das
verstehe ich nicht. Können Sie es bitte genauer erklären?
Wir
verstehen es auch nicht. Aber es ist so angedacht, dass sich maximal
tausend Personen in einem Pavillon aufhalten dürfen, einschließlich
Ausstellern, Reinigungskräften und anderem Personal, sodass
möglicherweise weniger Besucher als Aussteller anwesend sind. Diese
dürfen dann wiederum keinen anderen Pavillon besuchen. So kann man
keine Messeveranstaltung durchführen.
Als
Reaktion auf die Absage der MSV erklärte Minister Karel Havlíček, die
Regierung wolle die Messe und werde die Bedingungen anpassen.
Ich
schätze die Bemühungen des Wirtschaftsministers, aber das
Gesundheits-ministerium ist auch Teil der Regierung, oder? Die
Regierung hatte zwei Monate Zeit, dies zu tun. Es gab nie einen
Beschluss, der die Durchführung der MSV möglich gemacht hätte.
Niemand kann sich das leisten. Und wir werden es auch nicht tun. Wir
sind so verantwortungsvoll und verstehen die epidemiologische
Sichtweise, dass Covid-19 mit einer solchen Internationalität ein
gewisses Risiko darstellt. Das Damoklesschwert, dass sich die Situation wieder verschlechtert und Verbote kurz vor
Veranstaltungsbeginn erlassen werden, würde über der Veranstaltung schweben. Das sind Risiken, die unsere, aber auch die Investitionen der Aussteller betreffen, die ausgeräumt sein
müssen. Einschließlich des Reputationsrisikos der Brünner Messe
für den Fall, dass sich die Krankheit tatsächlich durch die Messe
ausbreiten würde.
Wie
haben die Aussteller auf die Absage der Messe reagiert?
Grundsätzlich
positiv. Viele haben uns sogar darum gebeten, inländische sowie ausländische. Die Menschen haben Angst, und die Aussteller
befürchten, dass zu wenige Besucher und Kunden kommen. Alle haben
Angst.
Was
schätzen Aussteller auf der MSV am meisten?
Die
repräsentative Präsenz der gesamten Branche, die Teilnahme von
Marktführern, die hohe Internationalität und die Möglichkeit, mit
in- und ausländischen Partnern persönlich zu verhandeln, sowie die
hohe Professonalität der Organisation. Die meisten Eigenschaften würden in der
gegenwärtigen epidemiologischen Situation nicht erfüllt werden.
Wie
wären die Aussichten für die diesjährige Messe gewesen?
Ohne
Covid hätte die Messe mit Rekordzahlen geendet. Mit der Beteiligung
vieler führenden Hersteller aus den angesprochenen Branchen bis hin
zur Top-Technologie. Wir hätten eine großen Beteiligung der
Russischen Föderation als Partnerland, die ersten offizielle nationale Beteiligung Italiens und die erste kollektive Beteiligung Japans gehabt. Dazu wäre noch eine große Delegation aus chinesischen
Provinzen sowie aus Indien gekommen. Wir hatten geplant die "Show" Digital
Factory, einschließlich 3-D-Druck zu wiederholen, die durch die
Präsentation von Unternehmen erweitert worden wäre. Das war die Vision.
Die Messe wäre wirklich gut geworden. Zumindest war sie so
konzeptionell vorbereitet und so sah es im März noch aus. Die
Nachfrage nach den Ausstellungsflächen war groß.
Wie
sah es später aus?
Es
gab wirtschaftliche Probleme von Unternehmen, Verbote der Beteiligung
von Mutterunternehmen. Aber die Messe wäre noch Mitte Mai in Bezug
auf die Teilnahme machbar gewesen. Der Zeitraum der Ungewissheit,
ob die Messe stattfinden kann, einschließlich der Festlegung von
Hygiene- und Sicherheitsbedingungen, hat sich jedoch verlängert.
Dadurch war die Messeplanung für viele Unternehmen nicht mehr
realisierbar. Exponate müssen viele Monate im Voraus bestellt oder
produziert werden. Die Regierung hat erklärt, dass die Messe
stattfinden soll, wie und nach welchen Regeln wollten sie uns erst
Ende Mai mitteilen. Irgendwann im Mai hätten sie uns klarmachen
sollen, dass eine Veranstaltung dieser Größenordnung nicht stattfinden kann, und so war es auch.
Was haben Sie speziell
gefordert?
Wir
haben den Ausschluss von Messen aus der Kategorie der
Massenveranstaltungen gefordert. Sie können ein Konzert, eine
Fußballveranstaltung, einen Gottesdienst, einen Bauernmarkt und eine Messe nicht in einen Topf werfen. Jede Messeveranstaltung muss
extra bewertet werden und hat völlig unterschiedliche Parameter. Wir
haben alle möglichen Hintergründe und Argumente geliefert. Wir
haben eine Reihe möglicher Maßnahmen zur Erhöhung der
Hygienesicherheit vorgestellt. Teilweise nach unseren Überlegungen,
teils aus Erfahrungen aus dem Ausland. Aber alles blieb
unbeantwortet. Es fehlte der Wille, damit umzugehen. Die Lockerungen
für Massenveranstaltungen, einschließlich Messen ab dem 22. Juni,
sind für uns enttäuschend. Sie sind einfach kein Kompromiss,
vielleicht wird es noch einige Anpassungen geben, aber jetzt ist es
zu spät.
Sie
beziehen sich auch auf den Betrieb von Einkaufszentren …
Natürlich.
Kollegen in Deutschland, Ungarn, Rumänien und anderen Ländern geht
es gleich, wo vernünftige Lösungen auch kein Ohr finden.
Natürlich liegt das Ausmaß der MSV in der Größenordnung von etwa
zwanzigtausend Menschen pro Tag, auch wenn die Menschen nicht
gleichzeitig an einem Ort sind. Bei mittelgroßen Messen sind die
Zahlen mit der durchschnittlichen Besucherzahl von Einkaufszentren
jedoch absolut vergleichbar, denen aber niemand Grenzen, Sektoren und
Personenbegrenzungen vorschreibt.
Können
Sie ausländische Beispiele nennen?
Ein
vorbildliches Beispiel ist Österreich. Da können Kongresse und
Messen jetzt bis zu 10.000 Personen ohne größere Auflagen
durchgeführt werden. In einigen Ländern wurden Messen bewilligt,
jedoch mit komischen Regeln, wie in Polen. Die absurdesten Regeln wurden
jedoch in Tschechien eingeführt. Das ist ein Beweis dafür, wie
unterschiedlich und subjektiv die Sichtweisen in verschiedenen
Ländern sind.
Wer
ist schuld?
Es
gibt keine machbaren Regeln für Kongresse, Messen und
Firmenveranstaltungen. Die Veranstaltungen sind international und
das globale Reisen ist eingeschränkt. Die allgemeine Stimmung in
Wirtschaft und Gesellschaft ist gestört. Vor allem aber bleibt
unsere Geschäftstätigkeit vom Staat verboten. Der Schuldige unserer
Situation ist das Coronavirus und der Staat.
"Es
war keine leichte Entscheidung, die schwierigste, die ich je treffen
musste. Die Absage der MSV war eine verantwortungsvolle Entscheidung
gegenüber den Ausstellern und allen Beteiligten, aber gleichzeitig
eine Unternehmenskatastrophe",
kommentiert Jiří Kuliš, Generaldirektor der Brünner Messe, die
Auswirkungen der Annullierung der wichtigsten Industriemesse in der
CE-Region.