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Kulturreisen nach Brünn (1) - Gregor Mendel und das Augustinerkloster
2022 ist das erste Jahr ohne Lockdown und Reiseeinschränkungen im Frühling seit Ausbruch der Pandemie. Der Tourismus kann wieder auf ausländische Gäste hoffen, und so startet die mährische Metropole Brünn mit einer Kulturoffensive in die Saison. Der 200. Geburtstag des Begründers der Vererbungslehre, Gregor Johann Mendel, wird in diesem Jahr Anlass für viele Veranstaltungen geben. Im ersten Teil der Serie "Kulturreisen nach Brünn" beschäftigt sich POWIDL mit dem Jubilar und dessen Wirkungsstätte. Im zweiten Teil der Serie geht es um die Saison der Brünner Oper, der letzte Teil behandelt das UNESCO Weltkulturerbe Villa Tugendhat.
Das Altbrünner Augustinerkloster

Mitten auf einem der belebtesten verkehrsreichsten Plätze Brünns erstreckt sich eine große Klosteranlage, deren historische Spuren man bis ins Jahr 1323 zurückverfolgen kann. Ursprünglich wurde das Kloster von Zisterzienserinnen bewohnt, jedoch mussten sie infolge der josefinischen Reform 1782 fortziehen. Ein Jahr später zogen die Augustiner in Altbrünn ein.

Die barocke Stiftsbibliothek ist eine der prächtigsten Bibliotheken Mitteleuropas. Sie beherbergt unzählige historisch wertvolle Bände und wurde im 18. Jahrhundert von Abt Matthäus Josef Pertscher in Auftrag gegeben.

Von 1868 bis zu seinem Tod 1884 war Gregor Johann Mendel Abt dieses Klosters. Der Klostergarten diente ihm als Ort seiner Forschungen auf dem Gebiet der Vererbungslehre, die zur Entdeckung der Mendel'schen Regeln führten. Er publizierte seine Forschungsergebnisse, aber die wahre Bedeutung seiner Lehre wurde erst im darauffolgenden Jahrhundert von der Wissenschaft erkannt.

1945 erhielt das Altbrünner Kloster traurige Bekanntheit als Sammelstelle und Ausgangspunkt des Brünner Todesmarsches. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung Brünns wurde auf Fußmärsche Richtung Österreich gezwungen. Dabei kamen 27.000 Menschen, hauptsächlich Frauen, Kinder und Alte zu Tode.

Im Kommunismus wurde die Abtei enteignet und der Ordensbetrieb eingestellt. Nach der Samtenen Revolution wurde sie den Augustinern rückerstattet.

Im Kloster sind das Stiftsmuseum und das Mendelmuseum untergebracht. Anziehungspunkte im Stiftsmuseum sind neben der bereits erwähnten Stiftsbibliothek, eine Sammlung von Kutten und Reliquien des Klosterlebens über die Jahrhunderte vor allem das von Peter Paul Rubens gemalte Bildnis des Heiligen Augustinus. 2023 feiert das Kloster sein 700-jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass wird eine große Ausstellung vorbereitet, die die gotische Zeit der Abtei zum Thema hat.

Das Mendelmuseum beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Leben und Wirken Gregor Johann Mendels (1822-1884). Handschriftliche Aufzeichnungen seiner wissenschaftlichen Arbeit sind hier genauso ausgestellt wie Alltagsgegenstände des Abtes Mendel. Der berühmte Komponist Leoš Janáček genoss im Stift unter der Leitung Mendels Musikunterricht. Auch ihm ist ein raum des Museums gewidmet. Das Museum beabsichtigt, anlässlich des 200. Geburtstages Mendels, seine einstigen Gemächer als Salon zu rekonstruieren. 

Im Zuge des Jubiläums steht Gregor Mendel im Mittelpunkt des Brünner deutsch-tschechischen Versöhnungsfestivals "Meeting Brno". Das Programm der im Juli abgehaltenen Veranstaltung wird auf der Homepage von Meeting Brno zu finden sein. Das Kloster mit seinen Räumlichkeiten und seinem Park wird Schauplatz einzelner Teilveranstaltungen des Festivals sein. Am 23.7. ist das Kloster Endpunkt des Meeting Brno-Versöhnungsmarsches.

Im Kloster finden regelmäßig Diskussionen zu verschiedenen aktuellen Themen statt. Das Brno Czech Ensemble Baroque Orchestra präsentiert hier seinen neuen Kammerzyklus. Jeden Monat finden Konzerte des Kunstgymnasiums statt.

Ein weiterer Schwerpunkt im Jahr 2022 wird Hugo Iltis gewidmet sein. Iltis, ein Brünner Jude, war der erste Mendel'sche Forscher, ein ausgezeichneter Biologe, und Museumsgründer. 1922 organisierte er die Feierlichkeiten rund um Mendels 100. Geburtstag. Meeting Brno wird sein Leben und seine Flucht vor den Nazis in die USA näher beleuchten. 

Der 200. Jahrestag wird auch zum Anlass genommen, Mendels Gewächshaus wieder aufzubauen. Das Haus, in dem Mendel die Gesetze der Vererbung entdeckt hat, soll Platz für Ausstellungen, Seminare und verschiedene Begegnungen bieten. Der Bauentwurf stammt von einem renommierten Architekturbüro, die Umsetzung wird im Juli 2022 erfolgen. Auch das Bienenhaus, das von Mendel persönlich entworfen worden ist, soll im neuen Glanz bewundert werden. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. 2023 sollen wieder die ersten Bienenvölker durch das Haus schwirren.

Jedes Jahr im November organisiert die Brünner Masarykuniversität die Mendel-Tage. Vorlesungen, Diskussionen, Präsentationen und Kulturveranstaltungen stehen auf dem Programm. Nähere Informationen: https://mendelovedny.cz.

"Altbrünn" hat übrigens nichts mit der Altstadt von Brünn zu tun. Es bezeichnete einst eine alte Siedlung außerhalb Brünns. Heute bezeichnet "Altbrünn" jenen Stadtteil, der sich westlich der Innenstadt bis hin zum Messegelände zieht.


Weitere Links:

Mendel-Festival 20.-24.7.2022: https://www.mendelje.cz 

Bilder: Stefan Weiß/Powidl.eu