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Kulturreisen nach Brünn (3) - Weltkulturerbe Villa Tugendhat
2022 ist das erste Jahr ohne Lockdown und Reiseeinschränkungen im Frühling seit Ausbruch der Pandemie. Der Tourismus kann wieder auf ausländische Gäste hoffen, und so startet die mährische Metropole Brünn mit einer Kulturoffensive in die Saison. Der 200. Geburtstag des Begründers der Vererbungslehre, Gregor Johann Mendel, wird in diesem Jahr Anlass für viele Veranstaltungen geben. Im ersten Teil der Serie "Kulturreisen nach Brünn" beschäftigt sich POWIDL mit dem Jubilar und dessen Wirkungsstätte. Im zweiten Teil der Serie geht es um die Saison der Brünner Oper, der letzte Teil behandelt das UNESCO Weltkulturerbe Villa Tugendhat.
Tschechiens Denkmal der architektonischen Avantgarde
"Ich habe mir immer ein geräumiges, modernes Haus mit klaren, einfachen Formen gewünscht", sagte Grete Tugendhat, Gattin des Textilindustriellen Fritz Tugendhat, als sie 1928 den damaligen Star-Architekten Ludwig Mies van der Rohe mit dem Bau der Familienvilla beauftragte. Mies, Direktor der Architektenvereinigung "Bauhaus", realisierte das Projekt in einer für den Wohnungsbau bislang einzigartigen Weise: als dreigeschossigen Hangbau mit Stahlskelettkonstruktion, nach außen offenem Grundriss und nach innen klar gegliederten Räumen.
Die Tugendhats waren die ersten privaten Auftraggeber für ein derartiges Objekt. Als eine der reichsten Familien in Brünn, das aufgrund der bedeutenden Textilindustrie in der Zeit der Monarchie das "Manchester Österreich-Ungarns" genannt wurde, konnten sie es sich leisten, ihre Vorstellungen mit Mies van der Rohe umzusetzen. Auf einem Abhang in einem Villenviertel im Norden Brünns entstand an der Černopolní-Straße die Villa Tugendhat. Seit 2002 aufgrund ihrer richtungsweisenden Funktionalarchitektur UNESCO-Weltkulturerbe, wurde sie nach langem Dornröschenschlaf in ihren Originalzustand gebracht und zieht seitdem architekturbegeisterte Besucher nach Brünn.
Verwirklichung neuer Ideen
Als die Villa erbaut wurde, war die mährische Hauptstadt bereits ein bedeutendes Zentrum der architektonischen Avantgarde. In den 1920er-Jahren entstanden im Angesicht des Mangels an Wohnungen nach dem Ersten Weltkrieg Siedlungen und Wohnhäuser für den sozialen Wohnbau. Die Architekten Bohuslav Fuchs und Ernst Wiesner waren in diesem Bereich federführend. Mit dem Auftrag der Industriellenfamilie Tugendhat bediente man sich der modernen Architektur erstmals auch für ein luxuriöses Domizil.
Die Baumaterialien - Glas, Stahl, Marmor und Chrom - wurden einer funktionalen Ästhetik folgend verarbeitet, die für Jahrzehnte richtungsweisend in moderner Architektur war. "Das Haus Tugendhat ist die Verwirklichung neuer Ideen, die nicht nur in der Zweckmäßigkeit resultiert, sondern Geistigkeit evoziert", wurde das Bauwerk 1931 vom deutschen Architekturkritiker Walter Riezler gepriesen. Herzstück der Villa ist eine Wand aus einzigartigem Onyx, um deren Preis man zur damaligen Zeit ein Einfamilienhaus hätte errichten können. Im Interieur kamen unter anderem Ebenholz, Travertin-Böden, Seide und Leder zur Verwendung.
Bald ein Jahrhundert bewegte Geschichte
Die Geschichte der Villa Tugendhat ist eine bewegte und auch eine für das Land typische. Sieben Jahre nachdem die Tugendhats in die Villa eingezogen waren, verließ die jüdische Familie angesichts des drohenden Einmarsches Hitlers das Land. Die Villa wurde vom NS-Regime beschlagnahmt und dem Flugzeugskonstrukteur Willy Messerschmidt zur Verfügung gestellt. Die Rote Armee hat nach ihrem Einmarsch im Zweiten Weltkrieg eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Danach war die Villa eine Turnhalle, bis in den 1960er-Jahren der historische Wert erkannt wurde und man die Villa Tugendhat zum nationalen Denkmal erklärte und zum Tagungs- und Repräsentationsraum der Stadt Brünn machte. Im Jahr 1992 war der runde Tisch im Mittelgeschoß jener Ort, an dem die beiden Ministerpräsidenten Václav Klaus und Vladimír Mečiar die Urkunde zur Auflösung der Tschechoslowakei unterzeichneten. 1994 wurde das Museum Tugendhat eingerichtet und fünf Jahre später die Instandsetzung des Gebäudes in Zusammenarbeit mit einer internationalen Expertenkommission in Angriff genommen. 2002 nahm die UNESCO die Brünner Villa Tugendhat in die Liste des Weltkulturerbes auf.
Heute ist Mies van der Rohes Meisterwerk in einem annähernd gleichen Zustand, als hier die Tugendhats wohnten, zu besichtigen. Besichtigungstouren werden in tschechischer, englischer und in deutscher angeboten. Die Führungen können auf der Webseite www.tugendhat.eu auf dem Terminkalender gebucht werden. Es gibt Tickets nur für den Garten und die aktuelle Ausstellung, eine 60-minütige Führung, sowie eine erweiterte Führung in der Dauer von 90 Minuten.
Weiterer Link:
Bilder: 1-5: Petr Dvořák/SDC VT, 6: David Židlický
Lage der Villa Tugendhat in Brünn