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Gastland Tschechien auf der Buchmesse Leipzig
Leider ist es in Tschechien noch immer so - wie auch in vielen anderen exkommunistischen Ländern - dass kulturelle Aktivitäten nicht als Arbeit anerkannt werden und dementsprechend wenig Bereitschaft vorhanden ist, dafür Geld auszugeben. Das spiegelte sich auch auf der Leipziger Buchmesse wider, wo Tschechien Gastland war.
Die tschechische Literatur ist seit Havel & Co im deutschsprachigen Raum so gut wie nicht mehr vorhanden. Das liegt einerseits an den meist anspruchsvollen Inhalten, die eine elitäre Leserschicht ansprechen, und andererseits daran, dass die Schriftsteller in der Öffentlichkeitsarbeit kaum unterstützt werden. Man hat den Eindruck, dass von staatlicher Seite Kulturförderung noch immer als Sozialhilfe angesehen wird. Die Wichtigkeit eines repräsentativen kulturellen Umfelds für Wirtschaft und Fremdenverkehr dürfte sich bis zum Kulturministerium noch nicht herumgesprochen haben. Mit der Leipziger Buchmesse eröffnete sich nun eine Chance, nicht nur die tschechische Literatur, sondern auch Tschechien selbst als modernes aufstrebendes Land vor einem Millionenpublikum zu präsentieren. Genutzt wurde sie nicht.

Peinlicher Auftritt

Weniger ging nicht mehr. Das Gastland Tschechien präsentierte sich nicht als modernes kulturelles Land, sondern, man fühlte sich zurückversetzt in alte kommunistische Zeiten. Es wurde offenbar gespart, wo es nur ging. Eine Minibühne für die Lesungen, wo circa 30-35 Menschen quasi aufeinander saßen. (Zum Vergleich, der sich in unmittelbarer Nähe befindliche Stand von Österreich war 4-5mal so groß.) Zu Beginn der Pressepräsentation waren die Sessel noch gestapelt, das Buffet wurde lautstark während der Lesungen im letzten Moment aufgebaut. Sitzgelegenheiten und Abstellmöglichkeiten für die Presseverteter gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine. Der Lärmpegel war so hoch, dass Interviews kaum möglich waren. Viele Menschen wanderten wegen Platzmangels zu anderen Lesungen ab. Jedenfalls, professionelle Organisation sieht anders aus. 
28.03.2019
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Grosses Publikums- und Medieninteresse -Minimalistische Präsentation
Die minmalistische Bühne des Gastlandes Tschechien
Bild: Powidl/Wolfgang Martin
Interesse größer als erwartet

Dass es in Tschechien grundsätzlich an Öffentlichkeitsarbeit mangelt, bewies der außerordentlich große Publikumsandrang auf der Messe. Bekommen die tschechischen Intellektuellen die Möglichkeit sich zu präsentieren, kommen sie außerordentlich gut an. Das Interesse an den Autoren war trotz widriger Umstände riesengroß.

Die tschechische Moderne der Literatur litt unter der glorreichen Vergangenheit

Der Star der tschechischen Literaten war aber wieder ein "Alter": Pavel Kohout, Unterzeichner und Mitbegründer der Charta 77, mittlerweile 91 Jahre alt, stellte sein neustes Werk "Aus den Tagebüchern eines Europäers" vor. Kohout war es auch der am blauen Sofa von 3 SAT/ZDF, zusammen mit dem Newcomer Jaroslav Rudiš,  durch seinen sympathischen Auftritt, dass tschechische Image wieder zurechtrückte. Einen starken Auftritt lieferte Petr Váša der aus wenigen Worten, unterstützt von stimmlichen Geräuschen und Pantomime Texte formte. "Die Pflege des Bereichs zwischen Wortwörtlichkeit und Abstraktion", wie er seine Performance selbst bezeichnete. Auch auf dem blauen Sofa Platz nehmen durfte Jáchym Topol, der einer jüngsten Charta 77-Unterzeichner war, und der nach 7 Jahren Pause seinen neuen Roman "Ein empfindsamer Mensch" vorstellte.

Zu merken war aber auch, dass sich die Tschechen schwer tun, sich von der Vergangenheit zu lösen. Eigentlich erwartete man sich, dass auf der Messe die "New Czech Generation" der Literaten präsentiert und gepusht wird. "Aufbruch und Wandlung - Generation 89" titelte die Messezeitung "Ahoj Leipzig". 
In Wirklichkeit wurde aber in erster Linie von der erfolgreichen Vergangeheit gesprochen. Auch in den deutschen Medien wurde eher über die Vergangenheit (bis hin zu Kafka) als über die jüngere Generation der tschechischen Autoren berichtet (siehe ZDF Mediathek).

Ein Vertreter dieser Generation, und derzeit einer der erfolgreichsten tschechischen Autoren mit über 150.000 verkauften Büchern in Tschechien, Josef Formánek, wurde nicht einemal ignoriert, geschweige denn eingeladen. Formáneks Romaverfilmumg "Das Lächeln der traurigen Männer" wurde im November 2018 von den Fachexperten zum "Film des Jahres" gekürt und für die beste Filmvorlage ausgezeichnet. Die nächste Buchverfilmung ist bereits fixiert und für sein Buch "Die Wahrheit sagen" schreibt Hollywood-Drehbuchautor Mitch Markowitz (MASH, Monk usw.) bereits an einem Drehbuch. Formáneks Bücher sind allerdings in keinster Weise mit der politischen Vergangenheit verbunden. Bei ihm stehen stets Menschen und Menschenschicksale im Vordergrund. In jedem anderen Land würde er möglichweise als Vorzeige-Literat präsentiert werden. Nicht so in Tschechien. Warum er von der Jury abgelenht wurde, konnte der Autor selbst nicht beantworten, darüber kann man nur spekulieren.

Die Organisatoren suhlten sich in Selbstlob

Die Veranstalter waren mit sich zufrieden. Antonín Staněk, Kulturministers der Tschechischen Republik, resümiert: "Es ist uns gelungen, den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern über 70 neue Übersetzungen aus der tschechischen Literatur vorzustellen, und damit hoffen wir, unseren Autorinnen und Autoren die Türen auch zu weiteren internationalen Märkten zu öffnen. Diese Aussicht, aber insbesondere der aktuelle Erfolg, bereitet uns große Freude und motivieret uns, die Verbreitung der tschechischen Literatur weiterhin besonders zu fördern. Nun bleibt uns, uns bei all den Menschen und Institutionen aufs herzlichste zu bedanken, die zu dem großen Erfolg beigetragen haben, der alle unsere Erwartungen übertroffen hat." 

Tomáš Kubíček und Martin Krafl, die Veranstalter des tschechischen Gastlandauftritts, heben hervor: "Mehr als 70 Übersetzungen und Premieren, 55 Autoren, 15 Moderatoren, 20 Übersetzer, 11 Dolmetscher im Dauereinsatz - unsere Gastland-Präsentation war ein phänomenaler Erfolg! Auch das begleitende Tschechische Kulturjahr hat weit mehr Aufmerksamkeit auf die tschechische Literatur lenken können als jemals erwartet, und neue Zielgruppen angesprochen. Überall war unser Slogan 'Ahoj' zu hören. Ab der Eröffnung drängte sich das Publikum bei uns, auch die Veranstaltungen gemeinsam mit den österreichischen, schweizerischen und slowakischen Partnern sowie beim Lesefest 'Leipzig liest' in der Stadt waren hervorragend besucht. Das Echo von Leipzig wird bei Messe- und Festivalauftritten sowie bei Lesereisen weiterklingen - und auch auf der nächsten Leipziger Buchmesse noch nachhallen."

Die Frage, ob die jungen tschechischen Literaten wirklich davon profitieren, wird die Zukunft zeigen. Eine Imageverbesserung ist aber wohl kaum gelungen.
wolfgang 030 wolfgang 029
2.4., 19h
Restaurace Sněmovna
Prag 1, Jakubská 5

3.4., 18.30
U Medvídků
Prag 1, Na Perštýně 5

10.4., 18h
Clarion Grandhotel Zlatý Lev
Liberec, Gutenbergova 3
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ENGLISCHSPRACHIGE VERANSTALTUNGEN
IN TSCHECHIEN:

5.4., 9h
Novotel Praha
Prag 2, Kateřinská 38

11.4., 8.30
Art Nouveau Palace Hotel
Prag 1, Panská 12
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