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Gastland
Tschechien auf der Buchmesse Leipzig
Leider
ist es in Tschechien noch immer so - wie auch in vielen anderen exkommunistischen Ländern - dass kulturelle Aktivitäten nicht als
Arbeit anerkannt werden und dementsprechend wenig Bereitschaft
vorhanden ist, dafür Geld auszugeben. Das spiegelte sich auch auf
der Leipziger Buchmesse wider, wo Tschechien Gastland war.
Die
tschechische Literatur ist seit Havel & Co im deutschsprachigen
Raum so gut wie nicht mehr vorhanden. Das liegt einerseits an den
meist anspruchsvollen Inhalten, die eine elitäre Leserschicht
ansprechen, und andererseits daran, dass die Schriftsteller in der
Öffentlichkeitsarbeit kaum unterstützt werden. Man hat den
Eindruck, dass von staatlicher Seite Kulturförderung noch immer als
Sozialhilfe angesehen wird. Die Wichtigkeit eines repräsentativen
kulturellen Umfelds für Wirtschaft und Fremdenverkehr dürfte sich
bis zum Kulturministerium noch nicht herumgesprochen haben. Mit der
Leipziger Buchmesse eröffnete sich nun eine Chance, nicht nur die
tschechische Literatur, sondern auch Tschechien selbst als modernes
aufstrebendes Land vor einem Millionenpublikum zu präsentieren.
Genutzt wurde sie nicht.
Peinlicher
Auftritt
Weniger
ging nicht mehr. Das Gastland Tschechien präsentierte sich nicht als
modernes kulturelles Land, sondern, man fühlte sich zurückversetzt
in alte kommunistische Zeiten. Es wurde offenbar gespart, wo es nur
ging. Eine Minibühne für die Lesungen, wo circa 30-35 Menschen
quasi aufeinander saßen. (Zum Vergleich, der sich in unmittelbarer
Nähe befindliche Stand von Österreich war 4-5mal so groß.) Zu
Beginn der Pressepräsentation waren die Sessel noch gestapelt, das
Buffet wurde lautstark während der Lesungen im letzten Moment
aufgebaut. Sitzgelegenheiten und Abstellmöglichkeiten für die
Presseverteter gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine. Der Lärmpegel
war so hoch, dass Interviews kaum möglich waren. Viele Menschen
wanderten wegen Platzmangels zu anderen Lesungen ab. Jedenfalls,
professionelle Organisation sieht anders aus.
Wirtschafts-veranstaltungen
Bild: Powidl/Wolfgang Martin
Grosses
Publikums- und Medieninteresse -Minimalistische Präsentation
Die minmalistische Bühne des Gastlandes Tschechien
Bild: Powidl/Wolfgang Martin
Interesse
größer als erwartet
Dass es
in Tschechien grundsätzlich an Öffentlichkeitsarbeit mangelt, bewies
der außerordentlich große Publikumsandrang auf der Messe. Bekommen
die tschechischen Intellektuellen die Möglichkeit sich zu
präsentieren, kommen sie außerordentlich gut an. Das Interesse an
den Autoren war trotz widriger Umstände riesengroß.
Die
tschechische Moderne der Literatur litt unter der glorreichen
Vergangenheit
Der
Star der tschechischen Literaten war aber wieder ein "Alter":
Pavel Kohout, Unterzeichner und Mitbegründer der Charta 77,
mittlerweile 91 Jahre alt, stellte sein neustes Werk "Aus den
Tagebüchern eines Europäers" vor. Kohout war es auch der am
blauen Sofa von 3 SAT/ZDF, zusammen mit dem Newcomer Jaroslav
Rudiš, durch seinen sympathischen Auftritt,
dass tschechische Image wieder zurechtrückte. Einen starken
Auftritt lieferte Petr
Váša der aus wenigen Worten, unterstützt von stimmlichen
Geräuschen und Pantomime Texte formte. "Die Pflege des Bereichs
zwischen Wortwörtlichkeit und Abstraktion", wie er seine Performance selbst bezeichnete. Auch auf dem blauen Sofa Platz nehmen durfte Jáchym Topol, der einer jüngsten Charta 77-Unterzeichner war, und der nach 7 Jahren
Pause seinen neuen Roman "Ein empfindsamer Mensch" vorstellte.
Zu merken war
aber auch, dass sich die Tschechen schwer tun, sich von der
Vergangenheit zu lösen. Eigentlich erwartete man sich, dass auf der
Messe die "New Czech Generation" der Literaten präsentiert und
gepusht wird. "Aufbruch und Wandlung - Generation 89" titelte die
Messezeitung "Ahoj Leipzig".
In Wirklichkeit wurde
aber in erster Linie von der erfolgreichen Vergangeheit gesprochen.
Auch in den deutschen Medien wurde eher über die Vergangenheit (bis
hin zu Kafka) als über die jüngere Generation der tschechischen
Autoren berichtet (siehe ZDF Mediathek).
Ein Vertreter dieser
Generation, und derzeit einer der erfolgreichsten tschechischen Autoren mit über 150.000 verkauften Büchern in
Tschechien, Josef Formánek, wurde nicht einemal ignoriert, geschweige
denn eingeladen. Formáneks Romaverfilmumg "Das Lächeln der
traurigen Männer" wurde im November 2018 von den Fachexperten zum "Film des Jahres" gekürt und für die beste Filmvorlage ausgezeichnet.
Die nächste Buchverfilmung ist bereits fixiert und für sein Buch
"Die Wahrheit sagen" schreibt Hollywood-Drehbuchautor Mitch
Markowitz (MASH, Monk usw.) bereits an einem Drehbuch. Formáneks
Bücher sind allerdings in keinster Weise mit der politischen
Vergangenheit verbunden. Bei ihm stehen stets Menschen und
Menschenschicksale im Vordergrund. In jedem anderen Land würde er
möglichweise als Vorzeige-Literat präsentiert werden. Nicht so in
Tschechien. Warum er von der Jury abgelenht wurde, konnte der Autor
selbst nicht beantworten, darüber kann man nur spekulieren.
Die
Organisatoren suhlten sich in Selbstlob
Die
Veranstalter waren mit sich zufrieden. Antonín
Staněk,
Kulturministers der Tschechischen Republik, resümiert: "Es ist uns
gelungen, den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern über 70 neue
Übersetzungen aus der tschechischen Literatur vorzustellen, und
damit hoffen wir, unseren Autorinnen und Autoren die Türen auch zu
weiteren internationalen Märkten zu öffnen. Diese Aussicht, aber
insbesondere der aktuelle Erfolg, bereitet uns große Freude und
motivieret uns, die Verbreitung der tschechischen Literatur weiterhin
besonders zu fördern. Nun bleibt uns, uns bei all den Menschen und
Institutionen aufs herzlichste zu bedanken, die zu dem großen
Erfolg beigetragen haben, der alle unsere Erwartungen übertroffen
hat."
Tomáš
Kubíček und Martin
Krafl,
die Veranstalter
des tschechischen Gastlandauftritts, heben hervor: "Mehr als 70
Übersetzungen und Premieren, 55 Autoren, 15 Moderatoren, 20
Übersetzer, 11 Dolmetscher im Dauereinsatz - unsere
Gastland-Präsentation war ein phänomenaler Erfolg! Auch das
begleitende Tschechische Kulturjahr hat weit mehr Aufmerksamkeit auf
die tschechische Literatur lenken können als jemals erwartet, und
neue Zielgruppen angesprochen. Überall war unser Slogan 'Ahoj'
zu hören. Ab der Eröffnung drängte sich das Publikum bei uns,
auch die Veranstaltungen gemeinsam mit den
österreichischen, schweizerischen und slowakischen Partnern
sowie beim Lesefest 'Leipzig liest' in der Stadt waren
hervorragend besucht. Das Echo von Leipzig wird bei Messe- und
Festivalauftritten sowie bei Lesereisen weiterklingen - und auch
auf der nächsten Leipziger Buchmesse noch nachhallen."
Die Frage, ob
die jungen tschechischen Literaten wirklich davon profitieren, wird
die Zukunft zeigen. Eine Imageverbesserung ist aber wohl kaum
gelungen.
2.4., 19h
Restaurace Sněmovna
Prag 1, Jakubská 5
3.4., 18.30
U Medvídků
Prag 1, Na Perštýně 5
10.4., 18h
Clarion Grandhotel Zlatý Lev
Liberec, Gutenbergova 3
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ENGLISCHSPRACHIGE VERANSTALTUNGEN
IN TSCHECHIEN:
5.4., 9h
Novotel Praha
Prag 2, Kateřinská 38
11.4., 8.30
Art Nouveau Palace Hotel
Prag 1, Panská 12
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