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Es wird ungemütlich für Babiš
Fünf Jahre benötigten die EU-Behörden, um festzustellen, dass der Milliardär und Agrarkonzernbesitzer Andrej Babiš bei seinen Regierungsämtern - erst Finanzminister, jetzt Premier - in einem Interessenkonflikt steht. So seien laut EU-Bericht 17,4 Millionen Euro an Förderungen widerrechtlich in seine Agrofert-Holding geflossen. Die scheidende EU-Kommission von Jean-Claude Juncker fordert das Geld nun aus Tschechien zurück. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, "sich mit dem Fall zu befassen". Gleichzeitig wächst der Druck von der Straße auf den Unternehmer-Premier. Vergangenen Dienstag verlangten am Prager Wenzelsplatz über 120.000 Bürger in der größten politischen Kundgebung des Landes seit 1989 den Rücktritt von Babiš und der neuen Justizministerin Marie Benešová.
06.06.2019
Die erste Reaktion des Premiers auf den brisanten Brief aus Brüssel fiel empört aus. "Mit allen Mitteln will ich gegen diese Desinformationen kämpfen. Tschechien wird keine Fördermittel zurückgeben, ich sehe da nicht den geringsten Grund dazu", sagte er gegenüber Český rozhlas, dem öffentlich-rechtlichen Radio. "Schon im März 2017 haben die Zeitungen getitelt, dass wir Fördermittel zurückgeben müssten. Anderthalb Jahre später hat die Kommission dann gesagt, dass sich kein Verdacht bestätigt habe und wir unser Geld behalten könnten. Ich denke deshalb, dass sich auch hier der Standpunkt der EU ändern wird", ergänzte Babiš mit einer Anspielung, dass eine neue EU-Kommission den Fall anders beurteilen könnte.

Auch Finanzministerin Alena Schillerová ist bemüht, den Fall herunterzuspielen: "Laut den Prinzipien in der EU haben wir zwei Monate Zeit, um auf den Befund zu reagieren. Bis dahin handelt es sich bei dem Papier um ein vorläufiges und vertrauliches Dokument, das nicht kommentiert werden sollte", sagte sie. Justizministerin Benešová erklärte, sie habe "volles Vertrauen zu Premier Babiš" und sehe "keine Gesetze verletzt". Nominell hat Babiš die Leitung des Agrofert-Imperiums bei seinem Regierungseintritt an zwei Treuhandfonds übergeben. Es wird aber bemängelt, dass diese Fonds zu wenig autonom von Babiš agieren und von Mitgliedern aus dessen Familie dominiert werden.

Dass die Angelegenheit von Schillerová und Benešová bearbeitet wird, zwei Ministerinnen, die der Partei ANO des Premiers nahe stehen, stößt in der Opposition sauer auf: "Man kann hier nicht warten, bis alles ausgesessen ist. Immerhin geht es hier nicht um irgendeinen Unternehmer, sondern um eine Person, die eben auch Premier der Tschechischen Republik ist", sagte Jan Skopeček, Wirtschaftspolitiker der Bürgerdemokraten (ODS). "Ein verantwortungsvoller Premier hätte gesagt: 'Wir untersuchen das und nehmen es nicht auf die leichte Schulter'. Vor allem würde er nicht behaupten, dass alles nur eine Kampagne gegen ihn sei", ergänzte der Christdemokrat Marian Jurečka. Die Sozialdemokraten, Koalitionspartner von ANO, konnten sich nicht zu einer klaren Stellungnahme durchringen. "Sollte sich zeigen, dass Fördergelder unrechtmäßig ausgezahlt wurden, dann sollten sie rückerstattet oder halt eingetrieben werden. Wir wollen vom Premier und den zuständigen Ministern wissen, wo sie den Ausweg aus dieser Sache sehen", sagte Vizepremier Jan Hamáček.

Von Seiten vieler Bürger, vor allem in Prag und den regionalen Hauptstädten, nahm man sich weniger ein Blatt vor dem Mund. "Uns reicht's!", war der Tenor der jüngsten Dienstagsdemonstration auf dem Wenzelsplatz, die über 120.000 Teilnehmer angezogen hat und somit zur größten politischen Kundgebung des Landes seit der Samtenen Revolution 1989 geworden ist. "Wir werden nicht so tun, als ob es normal wäre, dass der Regierungschef ein Mensch ist, der in einem Interessenkonflikt steht und dessen persönliche Probleme dem ganzen Land schaden. Wir fordern den Rücktritt von Andrej Babiš", sagte der Sprecher der Bewegung "Eine Million Augenblicke für die Demokratie", Mikoláš Minář, in seiner Rede vor den Demonstranten. Der Korruptionsjäger David Ondráčka, Leiter von Transparency International in Tschechien, prangerte das "System Babiš" an: "Das von Babiš geschaffene System für die Zuteilung von Fördergeldern führt dazu, dass die Beamten heute Angst haben, da sie unter dem Druck der Politiker stehen. Unabhängige Medien, die Justiz, das Kartellamt werden von Politikern angegriffen. Wir wollen heute den Premier darauf aufmerksam machen, dass die öffentlichen Finanzen kein Geldautomat für seine unternehmerischen Aktivitäten sind, und dass es uns nicht egal ist."

Die jüngste Kundgebung war der vorläufige Höhepunkt der Dienstags- demonstrationen. Für Empörung hat zudem gesorgt, dass der brisante EU-Bericht in den von Babiš finanziell dominierten Massenmedien kaum präsent war, und wenn doch, dann als "Teil einer Kampagne" gegen den ANO-Politiker. Den EU-Bericht gab es in ausführlichen Details vor allem in der auflagenschwächeren Wirtschaftszeitung "Hospodářské noviny", deren Ausgabe vom Montag an manchen Orten schnell vergriffen war. Bei den vergangenen Veranstaltungen stand Babiš gemeinsam mit Benešová wegen der "Causa Storchennest" im Visier der Demonstranten. In dieser Fördermittelbetrugs-Causa hat die Staatsanwaltschaft bereits eine Anzeige gegen den Premier empfohlen, bei der neu eingesetzen Justizministerin Benešová befürchtet man, dass sie mit ministeriellen Weisungen das Verfahren behindern könnte.

Auch wenn die Zivilgesellschaft in Tschechien zu neuem Leben erwacht ist, kann es dennoch sein, dass die Bewegung zum "Sturm im Wassergals" wird. Es ist zwar bekannt, dass Babiš in Prag und anderen Großstädten immer unbeliebter wird, dafür ist sein Einfluss in den ANO-Bastionen am Land und in strukturschwachen Industriestädten nach wie vor groß. Dort erfreut man sich über die Wahlzuckerl wie Seniorenfreifahrt, Pensionserhöhungen, und auch die gute Konjunktur mit den einhergehenden Lohnerhöhungen wird dem "Wirtschaftsfachmann" Babiš zugerechnet. Bei seinen Anhängern wird es für den Kommunikationsspezialisten Babiš im Einklang mit seinen Medien ein Kinderspiel sein, den bitteren EU-Bericht als "Antitschechische Kampagne aus Brüssel" zu interpretieren. Sollte die aktuelle Regierung also tatsächlich stürzen und es käme zu Neuwahlen, könnte - Massendemonstrationen zum Trotz - der umstrittene Milliardär gestärkt aus der Affäre hervorgehen.
Bild: Facebook/Milion chvilek pro demokracii
eu-wahl-tabelle demo2019
11.-13.6.
Güterbhf. Mariánskohorská
Ostrau, Mariánskohorská 38

11.6., 18.30
DTIHK
Prag 1, Václavské nám. 40

12.6., 15.30
U Medvídků
Prag 1, Na Perštýně 5
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IN TSCHECHIEN:

11.6., 17h
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