POWIDL im neuen Gewand!
Neues Layout, aktueller, übersichtlicher
Wirtschafts-veranstaltungen
Deutsche Sprache in der Abseitsfalle?
Es wird ungemütlich
für Babiš
Fünf Jahre benötigten die
EU-Behörden, um festzustellen, dass der Milliardär und
Agrarkonzernbesitzer Andrej Babiš bei seinen Regierungsämtern -
erst Finanzminister, jetzt Premier - in einem Interessenkonflikt
steht. So seien laut EU-Bericht 17,4 Millionen Euro an Förderungen
widerrechtlich in seine Agrofert-Holding geflossen. Die scheidende
EU-Kommission von Jean-Claude Juncker fordert das Geld nun aus
Tschechien zurück. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, "sich
mit dem Fall zu befassen". Gleichzeitig wächst der Druck von
der Straße auf den Unternehmer-Premier. Vergangenen Dienstag
verlangten am Prager Wenzelsplatz über 120.000 Bürger in der
größten politischen Kundgebung des Landes seit 1989 den Rücktritt
von Babiš und der neuen Justizministerin Marie Benešová.
Die erste Reaktion des Premiers auf den
brisanten Brief aus Brüssel fiel empört aus. "Mit allen
Mitteln will ich gegen diese Desinformationen kämpfen. Tschechien
wird keine Fördermittel zurückgeben, ich sehe da nicht den
geringsten Grund dazu", sagte er gegenüber Český rozhlas, dem
öffentlich-rechtlichen Radio. "Schon im März 2017 haben die
Zeitungen getitelt, dass wir Fördermittel zurückgeben müssten.
Anderthalb Jahre später hat die Kommission dann gesagt, dass sich
kein Verdacht bestätigt habe und wir unser Geld behalten könnten.
Ich denke deshalb, dass sich auch hier der Standpunkt der EU ändern
wird", ergänzte Babiš mit einer Anspielung, dass eine neue
EU-Kommission den Fall anders beurteilen könnte.
Auch Finanzministerin Alena Schillerová
ist bemüht, den Fall herunterzuspielen: "Laut den Prinzipien in
der EU haben wir zwei Monate Zeit, um auf den Befund zu reagieren.
Bis dahin handelt es sich bei dem Papier um ein vorläufiges und
vertrauliches Dokument, das nicht kommentiert werden sollte",
sagte sie. Justizministerin Benešová erklärte, sie habe "volles
Vertrauen zu Premier Babiš" und sehe "keine Gesetze
verletzt". Nominell hat Babiš die Leitung des
Agrofert-Imperiums bei seinem Regierungseintritt an zwei
Treuhandfonds übergeben. Es wird aber bemängelt, dass diese Fonds
zu wenig autonom von Babiš agieren und von Mitgliedern aus dessen
Familie dominiert werden.
Dass die Angelegenheit von Schillerová
und Benešová bearbeitet wird, zwei Ministerinnen, die der Partei
ANO des Premiers nahe stehen, stößt in der Opposition sauer auf:
"Man kann hier nicht warten, bis alles ausgesessen ist. Immerhin
geht es hier nicht um irgendeinen Unternehmer, sondern um eine
Person, die eben auch Premier der Tschechischen Republik ist",
sagte Jan Skopeček, Wirtschaftspolitiker der Bürgerdemokraten
(ODS). "Ein verantwortungsvoller Premier hätte gesagt: 'Wir
untersuchen das und nehmen es nicht auf die leichte Schulter'. Vor
allem würde er nicht behaupten, dass alles nur eine Kampagne gegen
ihn sei", ergänzte der Christdemokrat Marian Jurečka. Die
Sozialdemokraten, Koalitionspartner von ANO, konnten sich nicht zu
einer klaren Stellungnahme durchringen. "Sollte sich zeigen,
dass Fördergelder unrechtmäßig ausgezahlt wurden, dann sollten sie
rückerstattet oder halt eingetrieben werden. Wir wollen vom Premier
und den zuständigen Ministern wissen, wo sie den Ausweg aus dieser
Sache sehen", sagte Vizepremier Jan Hamáček.
Von Seiten vieler Bürger, vor allem in
Prag und den regionalen Hauptstädten, nahm man sich weniger ein
Blatt vor dem Mund. "Uns reicht's!", war der Tenor der
jüngsten Dienstagsdemonstration auf dem Wenzelsplatz, die über
120.000 Teilnehmer angezogen hat und somit zur größten politischen
Kundgebung des Landes seit der Samtenen Revolution 1989 geworden ist.
"Wir werden nicht so tun, als ob es normal wäre, dass der
Regierungschef ein Mensch ist, der in einem Interessenkonflikt steht
und dessen persönliche Probleme dem ganzen Land schaden. Wir fordern
den Rücktritt von Andrej Babiš", sagte der Sprecher der
Bewegung "Eine Million Augenblicke für die Demokratie",
Mikoláš Minář, in seiner Rede vor den Demonstranten. Der
Korruptionsjäger David Ondráčka, Leiter von Transparency
International in Tschechien, prangerte das "System Babiš"
an: "Das von Babiš geschaffene System für die Zuteilung von
Fördergeldern führt dazu, dass die Beamten heute Angst haben, da
sie unter dem Druck der Politiker stehen. Unabhängige Medien, die
Justiz, das Kartellamt werden von Politikern angegriffen. Wir wollen
heute den Premier darauf aufmerksam machen, dass die öffentlichen
Finanzen kein Geldautomat für seine unternehmerischen Aktivitäten
sind, und dass es uns nicht egal ist."
Die jüngste Kundgebung war der
vorläufige Höhepunkt der Dienstags- demonstrationen. Für Empörung
hat zudem gesorgt, dass der brisante EU-Bericht in den von Babiš
finanziell dominierten Massenmedien kaum präsent war, und wenn doch,
dann als "Teil einer Kampagne" gegen den ANO-Politiker. Den
EU-Bericht gab es in ausführlichen Details vor allem in der
auflagenschwächeren Wirtschaftszeitung "Hospodářské noviny",
deren Ausgabe vom Montag an manchen Orten schnell vergriffen war. Bei
den vergangenen Veranstaltungen stand Babiš gemeinsam mit Benešová
wegen der "Causa Storchennest" im Visier der Demonstranten.
In dieser Fördermittelbetrugs-Causa hat die Staatsanwaltschaft
bereits eine Anzeige gegen den Premier empfohlen, bei der neu
eingesetzen Justizministerin Benešová befürchtet man, dass sie mit
ministeriellen Weisungen das Verfahren behindern könnte.
Auch wenn die Zivilgesellschaft in
Tschechien zu neuem Leben erwacht ist, kann es dennoch sein, dass die
Bewegung zum "Sturm im Wassergals" wird. Es ist zwar
bekannt, dass Babiš in Prag und anderen Großstädten immer
unbeliebter wird, dafür ist sein Einfluss in den ANO-Bastionen am
Land und in strukturschwachen Industriestädten nach wie vor groß.
Dort erfreut man sich über die Wahlzuckerl wie Seniorenfreifahrt,
Pensionserhöhungen, und auch die gute Konjunktur mit den
einhergehenden Lohnerhöhungen wird dem "Wirtschaftsfachmann"
Babiš zugerechnet. Bei seinen Anhängern wird es für den
Kommunikationsspezialisten Babiš im Einklang mit seinen Medien ein
Kinderspiel sein, den bitteren EU-Bericht als "Antitschechische
Kampagne aus Brüssel" zu interpretieren. Sollte die aktuelle
Regierung also tatsächlich stürzen und es käme zu Neuwahlen,
könnte - Massendemonstrationen zum Trotz - der umstrittene
Milliardär gestärkt aus der Affäre hervorgehen.
Bild: Facebook/Milion chvilek pro demokracii
11.-13.6.
Güterbhf. Mariánskohorská
Ostrau, Mariánskohorská 38
11.6., 18.30
DTIHK
Prag 1, Václavské nám. 40
12.6., 15.30
U Medvídků
Prag 1, Na Perštýně 5
____________________
____________________
ENGLISCHSPRACHIGE VERANSTALTUNGEN
IN TSCHECHIEN:
11.6., 17h
Villa Winternitz
Prag 5, Na Cihlářce 10
12.6., 9h
DTIHK
Prag 1, Václavské nám. 40
____________________
____________________