Wirtschaftslage
Tschechiens Wirtschaft wird 2020 um ca. 7% schrumpfen: Zu stark waren die
Corona-bedingten Rückgänge in praktisch allen Bereichen (Industrie, Ausfuhren,
Privatkonsum, ...) mit Ausnahme der Staatsaugaben.
Die Konsumausgaben der privaten Haushalte als eine der Säulen des bisherigen
Wachstums steigen 2020 mit ca. 1% (erwartungsgemäß) nur schwach
Die Industrieproduktion lag im Juli 2020 ca. 5% unter dem Vorjahreswert, erholte
sich aber von den wesentlich tieferen Werten im Mai (-25,3%) und Juni (-10,5%).
Hauptgrund dafür ist die Situation der Haupthandelspartner Tschechiens, vor
allem Deutschland.
Die KFZ-Produktion ging im ersten Halbjahr 2020 wegen temporärer Werkschließungen, Absatzschwierigkeiten sowie Problemen in den internationalen
Lieferketten deutlich zurück (Q1/2020: -31%; April: -89%).
2019 produzierte Tschechien 1,46 Mio. Straßenfahrzeuge. Die VW-Tochter Škoda
hat mit 63% den größten Anteil an der Gesamtproduktion, gefolgt von Hyundai mit
22% und TPCA mit 15%. Škoda steigerte 2019 seine Produktion um 2,5% auf den
Rekordwert von mehr als 900.000 Autos.
Die Bauindustrie ging im Juli 2020 im Jahresvergleich um ca. 10,4% zurück, im
Juni waren es noch -11,8% gewesen.
Der vorwiegend aus öffentlichen und EU-Quellen finanzierte Tiefbau (Verkehrswege, Umweltschutz, Infrastruktur etc.) war im Frühjahr 2020 ‚nur‘ von ein- bis
zweimonatigen Schließungen der Baustellen betroffen.
Stärker dürfte sich die Corona-Krise auf den Hochbau (Wohnungen, Büros, Lager
etc.) auswirken.
Vom extrem ausverkauften Prager Wohnungsmarkt gibt es nach Jahren wieder
bessere Nachrichten. Im Vorjahr begann der Bau von fast 5.000 Wohnungen, der
größten Anzahl seit 10 Jahren. Trotzdem reicht diese Zahl nicht aus, um die
Wohnungsnachfrage zu decken. Dafür wären in Prag jedes Jahr bis zu 10.000
neue Wohnungen notwendig. Das noch immer langsame Tempo der Genehmigungen bremst die Bauvorhaben. Ein geplantes neues Baugesetz soll die
Bürokratie eindämmen.
Zusätzlich werden schon bestehende Wohnungen auf den Markt kommen, da die
Stadt Prag die Vermietungen über Plattformen wie Airbnb (über die bis zu 20%
aller Wohnungen in Prag vermietet worden sind) stark eindämmen will.
Die CZ-Exporte stiegen 2019 um 3,5% auf EUR 178 Mrd., die Importe um 1% auf
EUR 158 Mrd. (Handelsbilanzüberschuss EUR 20 Mrd.).
Bis auf Mineralölprodukte (-7%) und Fertigwaren (-2%) erzielten alle Hauptwarengruppen Exportsteigerungen. Die Lieferungen von "Maschinen und
Verkehrsmittel" - mit einem Anteil von 59% (EUR 105 Mrd.) an den
Gesamtexporten die bedeutendste Ausfuhrposition - stiegen um 5%.
2020 wird ein Exportrückgang von 16% befürchtet.
75% Prozent des Außenhandels wickelt Tschechien mit EU-Ländern ab (Exporte:
84%, Importe: 64%). Deutschland ist der mit Abstand größte Exportpartner (32%),
gefolgt von der Slowakei (8%) und Polen (6%), Österreich liegt mit 4,3% an 6.
Stelle. Wichtigster Importpartner ist ebenfalls Deutschland (25%), mit Abstand
vor China (14%) und Polen (8%), Österreich liegt mit 2,8% an 9. Stelle.
Arbeitsmarkt
entspannt sich, aber
keine
Massenarbeitslosigkeit
Durch die Unterstützungsmaßnahmen der tschechischen Regierung und die
Kündigung / Heimsendung vieler Arbeiter aus Drittländern stieg die Arbeitslosenquote bislang auf moderate 3,8% (Juli 2020: 279.000 Arbeitssuchende; vor
der Krise: 2,0%) an. Damit hat Tschechien weiterhin die geringste Arbeitslosenrate in der EU.
Unternehmen suchen weiterhin Fachkräfte vor allem in technischen Berufen, am
meisten in den Regionen Prag, Mittelböhmen und Pilsen. Die höchste
Arbeitslosigkeit gibt es in Mährisch-Schlesien | Region um Ostrava.
Durch das Nachlassen des gravierenden Arbeitskräftemangels sank auch der
Druck auf die Lohnkosten.
2020 sollten die Lohnerhöhungen nominell max. 1,5% bis 2,0% betragen, d.h. viel
niedriger als die Erhöhungen 2016-2018, die nominell zwischen 6% und 8% lagen.
Der durchschnittliche Bruttomonatslohn betrug Mitte 2020 EUR 1.298,- (CZK
34.270,-), inflationsbereinigt gingen die Löhne um 2,5% ggü. 2019 zurück. Die
regionalen Unterschiede bleiben relativ groß: In Prag und Mittelböhmen beträgt
der Durchschnittslohn umgerechnet EUR 1.700,-, in der Region Karlsbad
hingegen nicht einmal EUR 1.300,-. Die höchsten Löhne zahlen mit EUR 2.300,-
der IT-Bereich und das Finanzwesen, die niedrigsten Löhne finden sich in der
Hotellerie und Gastronomie mit rund EUR 800,-.
Die tschechischen Verbraucher waren im ersten Halbjahr 2020 nur in gedämpfter
Konsumlaune – der Einzelhandelsumsatz stieg real insgesamt nur um 1% (inkl.
dem stärker gestiegenen Online-Handel).
Die Inflationsrate 2019 hat mit 2,8% das von der tschechischen Nationalbank
angestrebte Ziel von 2% und die Prognose von 2,3% überschritten.
2020 setzt sich der Anstieg der Inflation auf bislang 3,2% fort. Hauptgründe liegen
in den hohen Kostensteigerungen für das Wohnen (Mieten, Energie) sowie bei
Lebensmitteln.
Besondere Entwicklungen
Corona hat Tschechien 2020 als stark industrialisiertes, exportabhängiges Land
hart getroffen. Für 2021 rechnen Experten mit einem Wachstum von 4% bis 4,5%,
da die wirtschaftliche Basis Tschechiens vor der Krise gesund war. Die wirtschaftliche Erholung Tschechiens hängt dabei besonders von der Entwicklung des
Hauptexportmarktes Deutschland ab. Die dortigen relativ positiven Industrieindikatoren machen jedenfalls auch in Tschechien Mut.
Stark eingebrochen ist der für Tschechien so wichtige internationale Tourismus,
vor allem die Stadt Prag verzeichnete Besucher-Rückgänge von teilweise bis zu
90%.
Tschechien bereitet derzeit ein neues (bisher fehlendes) Gesetz über die Kurzarbeit
vor, das am 1.1.2021 in Kraft treten soll. Details sind derzeit noch nicht bekannt.
Die Regierung hat im Herbst 2019 drei neue Programme für Arbeitskräfte aus
Drittstaaten initiiert und die Jahresquoten erhöht. Diese Programme sollen das
Migrationsverfahren vereinfachen und beschleunigen, zentrale Stelle ist die
tschechische Wirtschaftskammer. Jedes der Programme hat eine bestimmte Zielgruppe: Wissenschaftler, hochqualifizierte Arbeitskräfte und Arbeitskräfte
geringerer Qualifikation, wie bspw. Handwerker, Bauarbeiter oder LKW-Fahrer.
Der Ausländer-Anteil an den Beschäftigten beträgt aktuell ca. 12% (2010: 6%). Die
meisten ausländischen Arbeitskräfte kommen aus der Ukraine, Slowakei und
Vietnam.
Die Tschechische Nationalbank senkte den Leitzins im 1. Halbjahr 2020 von 2,25%
auf 0,25%. Die tschechische Krone schwächte sich dadurch ggü. dem Euro
zwischenzeitlich um bis zu 8% ab, steigt nun aber langsam wieder (aktuell: 1 EUR =
26,5 CZK).
Tschechien war im 1. Halbjahr 2020 weiterhin ein Nettoempfänger in der EU und
erhielt um EUR 1,9 Mrd. mehr aus dem EU-Budget als es dort einzahlte.
Ende 2019 legte die tschechische Regierung einen Investitionsplan von über 20.000
Projekten vor, die bis 2050 umgesetzt werden sollen. Die Gesamtsumme liegt bei
umgerechnet EUR 320 Milliarden, die Finanzierung ist aber nicht gesichert. Die
Prioritäten liegen beim Verkehr, der Gesundheits- und Energieversorgung sowie
dem Klima und der Cybersicherheit.
Tschechien will nicht länger eine "verlängerte Werkbank" sein. Nationale
Förderungen für Investitionen gibt es daher nur mehr für Investitionen in
Technologiezentren, strategische Servicezentren und im Produktionsbereich für
„anspruchsvolle Projekte“. Darunter fallen Projekte, die nachweislich in Forschung
und Entwicklung investieren und wo Firmen mit einer Universität oder
Forschungseinrichtung zusammenarbeiten. Damit will Tschechien Innovationen
und neue Technologien ins Land ziehen. Durch das neue System von Investitionsanreizen haben nun auch kleinere Unternehmen eine bessere Chance auf
Förderungen.
Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich
Nach Rekordjahren im bilateralen Außenhandel gab es (nach vorläufigen Zahlen)
im ersten Halbjahr 2020 erwartungsgemäß einen deutlichen Rückgang: Von Jänner
bis Juni fielen Österreichs Ausfuhren um 13,2% auf EUR 2,39 Mrd., quer über alle
Warengruppen.
Ein Minus von 14,8% auf EUR 2,96 Mrd. gab es auch bei den Einfuhren aus
Tschechien.
Für Österreich ist Tschechien in Mittel- und Osteuropa der führende Handelspartner (Exporte und Importe zusammen). Innerhalb der EU-27 ist Tschechien für
Österreich der fünftwichtigste Exportpartner und der drittwichtigste Importpartner.
Weltweit zählt Tschechien ebenfalls seit langem zu Österreichs wichtigsten
Wirtschaftspartnern. Aktuell liegt beim Ranking der Exporte Tschechien für
Österreich weltweit hinter Deutschland, USA, Italien, Schweiz, Frankreich, Polen
und Ungarn auf dem 8. Platz. Importseitig nimmt Tschechien nach Deutschland,
Italien, China den 4. Platz ein.
Der Austausch von Dienstleistungen erlebt seit dem EU-Beitritt Tschechiens und
der damit verbundenen Dienstleistungsfreiheit ein kraftvolles Wachstum. Von
Jänner bis September 2019 stiegen die österreichischen Dienstleistungsexporte
nach Tschechien um 6,8% auf EUR 1,745 Mrd., die Dienstleistungsimporte um 5,9%
auf EUR 1,496 Mrd. Neben dem Reiseverkehr haben die sonstigen
unternehmerischen Dienstleistungen jeweils den größten Anteil. Tschechien liegt für Österreich bei den Exporten von Dienstleistungen am 7. Platz und bei den
Importen am 11. Platz.
Laut ÖNB beläuft sich der Bestand österreichischer Direktinvestitionen in
Tschechien per Ende 2019 auf EUR 13,5 Mrd. (Ende 2018: EUR 12,9 Mrd.).
Für österreichische Firmen ist Tschechien damit weiterhin nach Deutschland, den
Niederlanden und Luxemburg weltweit das viertwichtigste Zielland für
Direktinvestitionen.
Beim Einkommen (ausgeschüttete als auch reinvestierte Gewinne sowie Nettozinserträge aus konzerninternen Finanzierungen) aus den Direktinvestitionen liegt
Tschechien in absoluten Zahlen mit EUR 1,6 Mrd. weltweit an der Spitze, vor
Deutschland (EUR 1,2 Mrd.) und den Niederlanden (EUR 898 Mio.)
Österreich ist für die Tschechen als Urlaubsdestination populär wie nie zuvor.
2019 gab es neue Rekorde mit über einer Million Ankünften (+8,1 %) und über
3 Millionen Übernachtungen (+6,9%). Tschechien zählt bereits seit Jahren zu den
führenden Herkunftsländern und liegt im Nationenranking stabil auf Platz 5.
Seit Anfang dieses Jahres besteht ein neues offizielles Kooperationsabkommen
zwischen Prag und Wien. Die beiden Hauptstädte wollen künftig in 13 Bereichen
zusammenarbeiten, v.a. in der Wohnpolitik, in der Abfallwirtschaft bei der
Digitalisierung, im Verkehr, in der Kultur und in der Sicherheit.