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Hat Corona einen Einfluss auf das
Wahlverhalten der tschechischen Bevölkerung? Die Regierungskoalition
hat knapp sieben Prozent der Stimmen (ANO -5,3 Prozent und ČSSD
-1,6 Prozent) eingebüßt, im Lager der Opposition konnten davon vor
allem die liberalen Kleinparteien STAN und TOP'09 sowie die extreme
Rechte profitieren. Die Sozialdemokraten (ČSSD) mit 7,3 Prozent, die
sich vor der Sommerpause schon auf einem Aufwärtstrend wähnten,
haben derzeit sogar weniger Zulauf als die Bürgermeisterbewegung
STAN (7,5 Prozent), die kleinste Partei im Parlament. Das ist
besonders bitter, denn die ČSSD erhoffte sich durch das
"Rentnergeld", das sie gegenüber dem Regierungspartner ANO
durchgesetzt hat, eine positive Auswirkung in ihrer Popularität. Der
Direktor des Meinungsforschungsinstitutes STEM, Martin Buchtík,
sagte gegenüber CNN Prima News, dass die Stärkung der
Bürgermeisterbewegung mit dem aktuellen Wahlkampf um die
Regionalwahlen Anfang Oktober im Zusammenhang stehe. Dadurch sei die
Kleinpartei präsenter und werde von der Bevölkerung besser
wahrgenommen.
Die Skepsis gegenüber den
Corona-Maßnahmen erweckt die rechte SPD zu neuem Leben. Die Partei
von Tomio Okamura marschiert bei aktuell 8,8 Prozent mit ihrem
aggressiven Wahlkampf auf die 10-Prozent-Marke der letzten
Parlamentswahlen zu. Die große Anzahl der wirtschaftlichen und
sozialen Corona-Opfer - ruinierte Kleinunternehmer, neue Arbeitslose
oder Beschäftigte, denen die Kündigung droht - sind ein neues
Wählersegment, das von der "Partei für direkte Demokratie",
wie sich die Bewegung nennt, akribisch bearbeitet wird. Während die
Kommunisten ihre Wähler konstant um die 7 Prozent halten, drohen die
Christdemokraten (KDU-ČSL) unter die 5 Prozent-Hürde zu stürzen.
Das ist für die kirchlich orientierte Partei hinsichtlich der
Regionalwahlen alarmierend. Gerade in den ländlichen Regionen ist die
KDU-ČSL traditionell erfolgreich und
verzeichnen in Mähren zweistellige Ergebnisse. In Zlín waren sie
2016 die stärkste politische Kraft. Die Fünfprozenthürde ist für
die jüngste Parteineugründung, die europaskeptische,
wertkonservative und homophobe Trikolóra-Bewegung des
Ex-Präsidenten-Sohnes Václav Klaus jun. nicht in Reichweite. Obwohl
sie im Regionalwahlkampf omnipräsent ist, scheinen sich für rechte
Parolen anfällige Wähler eher für die SPD zu entscheiden.
Das aktuelle politische
Kräfteverhältnis im September 2020:
ANO: 28,4% - Piraten: 12,8% - ODS:
10,6% - SPD: 8,8% - STAN: 7,5%, KSČM: 7,3%, ČSSD: 7,3%, - KDU-ČSL:
5,4% - TOP'09: 5,3% - Trikolóra: 3,4% - Grüne: 1,1% - Svobodní:
1,0% - Sonstige: 0,9%
STEM hat auch abgefragt, mit welcher
Wahrscheinlichkeit die einzelnen Parteisympathisanten zur Wahl gehen
werden. An der Spitze stehen hier die Christdemokraten, deren Wähler
zu 82 Prozent angegeben haben, auch tatsächlich zur Urne zu
schreiten. Auch die Unterstützer von STAN (78 Prozent) und die Fans
der SPD (77 Prozent) gaben mit überwältigender Mehrheit an, an den
Wahlen teilzunehmen. Die größten Motivierungsprobleme haben die
Piraten und die Sozialdemokraten, von denen jeweils nur 57 Prozent
zur Wahl gehen möchten. Auch die Kommunisten sind mit 66 Prozent
Motivierungsquote regelrechte Wahlmuffel, laut STEM.
In einer separaten Studie hat STEM die
Popularität der Regierungsmannschaft und der Parteichefs der
Opposition ermittelt. Andrej Babiš hat nach sehr langer Zeit den
Titel "beliebtester Politiker Tschechiens" abgeben müssen.
Ausgerechnet der Vizepremier von den Sozialdemkoraten, Jan Hamáček,
setzte sich im Gegensatz zu seiner Partei an die Spitze. Dennoch fiel
die Bewertung der einzelnen Politiker eher mau aus. Die Noten setzen
sich aus "Plus-" und "-Minus-Bewertung" zusammen.
Die in der folgenden Liste als erste angegebene Zahl ist der
Prozentsatz der Plus-Stimmen. Während es Babiš in seinen besten
Zeiten auf Note 61 brachte, schaffte es diesmal kein Politiker über
50. Die Vergleichszahlen in Klammer beziehen sich auf die letzte
Umfrage von STEM im Jänner 2020.
1. Jan Hamáček (Vizepremier,
Innenminister, ČSSD-Chef): 48 (36)
2. Andrej Babiš (Premier, ANO-Chef):
45 (50)
3. Adam Vojtěch (Gesundheitsminister,
22.9.2020 zurückgetreten, parteifrei) 43 (38)
4. Jana Maláčova (Sozialministerin,
ČSSD): 42 (41)
5. Ivan Bartoš (Piraten-Chef): 40 (40)
6. Alena Schillerová
(Finanzministerin, parteifrei): 40 (47)
7. Lubomír Zaorálek (Kulturminister,
ČSSD): 37 (39)
8. Karel Havlíček
(Wirtschaftsminister, parteifrei): 37 (31)
9. Tomáš Petříček (Außenminister,
ČSSD): 35 (27)
10. Tomio Okamura (SPD-Chef): 34 (37)
11. Marie Benešová (Justizministerin,
parteifrei): 30 (37)
12. Marian Jurečka (KDU-ČSL-Chef): 30
(-)
13. Robert Plága (Bildungsminister,
ANO): 28 (21)
14. Vojtěch Filip (KSČM-Chef): 26
(28)
15. Richard Brabec (Umweltminister,
ANO): 26 (30)
16. Petr Fiala (ODS-Chef): 26 (28)
17. Vít Rakušan (STAN-Chef): 25 (27)
18. Klára Dostálová
(Regionenministerin, parteifrei): 24 (29)
19. Markéta Pekarová Adamová
(TOP'09-Chefin): 21 (21)
20. Lubomír Metnar
(Verteidigungsminister, parteifrei): 18 (17)
"Corona-Kater" beschert Babiš Abwärtstrend
Die Bewegung ANO von Premier Andrej
Babiš verliert an Wählergunst, glaubt man der am 22. September,
also zwölf Tage vor den Regional- und Senatswahlen, präsentierten
Umfrage des Prager Meinungsforschungsinstitutes STEM. Von den 33,7
Prozent im Mai sind über fünf Prozent verloren, die
Regierungspartei verzeichnet mit aktuell 28,4 Prozent sogar zum ersten
Mal ein Minus gegenüber dem Wahlergebnis von 2017. Die Piraten haben
die zweite Position mit 12,8 Prozent gegenüber den Bürgerdemokraten
(ODS) mit 10,6 Prozent abgesichert. Durch die neuen Corona-Maßnahmen
wurde die rechtsextreme SPD wieder zu neuem Leben erweckt. Bei den
Kleinparteien hat die liberale Bürgermeisterbewegung STAN Vorteile
errungen, der Durchmarsch der europaskeptischen Trikolóra von Václav
Klaus jun. scheint abgewendet.
Quelle STEM/ Grafik: powidl.eu
Grafik: Umfrageergebnisse zwischen Oktober 2017 und September 2020