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Die Welt in der Dauerkrise. Eine zwei Jahre anhaltende Pandemie samt ihren gesellschaftlichen und ökonomischen Folgewirkungen, ein Angriffskrieg mitten in Europa, der in seiner Brutalität unerkannte Ausmaße annimmt, und der droht, in einen apokalyptischen Atomkrieg zu enden; dazu die Probleme des Klimawandels, der andauernde Vergiftung des Planeten, Migrationsströme, Fake News, Manipulationen, die Gefahren des Populismus für unsere Demokratien. Es waren die ganz großen Sorgen unserer Zeit, die da auf dem 14. Mediengipfel in Lech am Arlberg reflektiert worden sind.
Europäischer
Mediengipfel Lech: "Zeitenwende - unsere Welt im
Ausnahmezustand"
NETWORKING IN TSCHECHIEN:
Gleich im ersten Panel des
Forums kam der ukrainische Politologe Sergiy Kudelia zu Wort. Er
verdeutlichte, dass die Tragödie in seinem Heimatland das politische
Europa fordert, zu seinen Wurzeln der Gründungsjahre zurückzufinden.
"2022 wird sicherlich als das Jahr eines weiteren, sinnlosen
Krieges in Europa in Erinnerung bleiben. Es könnte aber auch als
jener Moment in Erinnerung bleiben, als die Europäische Union ihren
Sinn und Zweck - die Bereitschaft, auf Grundlage ihrer Werte und im
Einklang ihrer ursprünglichen Vision aus den Erfahrungen des Zweiten
Weltkrieges zu agieren - neu belebt", sagte Kudelia. Die
EU-Kommissions-Vizepräsidentin aus Tschechien und Kommissarin für
europäische Werte, Věra Jourová, konnte aufgrund einer technischen
Panne bei ihrer Videoschaltung leider nicht auf das Referat Kudelias
eingehen.
Der österreichische
Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas,
beleuchtete die Kriegssituation aus der Perspektive der
Alpenrepublik. Karas skizzierte Österreichs Position im Hinblick auf
Neutralität und der hohen Abhängigkeit des Landes von russischem
Erdgas. Der Europaparlamentarier prägte den Begriff "Historische
Notsituation". Im Gespräch mit der ORF-Korrespondentin Raffaela
Schaidreiter plädierte er dafür, der Ukraine so bald wie möglich
den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu gewähren. "Wir haben
Krieg in der Ukraine und wir müssen ein klares Signal setzen, dass
sie eine Beitrittsperspektive hat", so Karas. Eine Position, die
anderthalb Tage später von Parteikollegen, Ex-Bundeskanzler und
aktuell amtierendem Außenminister Alexander Schallenberg wieder in
Frage gestellt werden wird.
Die Praxis und die
Auswirkungen des Krieges behandelte die darauffolgende Expertenrunde,
die von Susanne Glass vom Bayerischen Rundfunk zusammen mit dem
Präsidenten der Auslandspresse in Wien, Ivo Mijnssen, geleitet
wurde. Per Videoschaltung war der freie ukrainische Journalist Denis
Trubetskoy aus seiner Heimatstadt Lemberg in die Diskussion
involviert und berichtete vom Alltag des Krieges in der Ukraine.
Trubetskoy zeigte sich nur wenig optimistisch, was ein schnelles
Kriegsende anlangt. Politologe Kudelia glaubt nicht daran, dass sich
die aktuelle Situation zu einem Weltkrieg entwickeln wird. Russland
werde die NATO-Grenzen respektieren, meinte er. Wirtschaftsforscher
Gabriel Felbermayr (WIFO) sieht durch den Krieg den Trend zur
Verarmung größerer Bevölkerungsteile beschleunigt.
Fake News, Social Media
und Jugendproteste standen am zweiten Tag des Mediengipfels im
Vordergrund. Dass gefakte Nachrichten auch abseits des Krieges
vermehrt zur Anwendung kommen, verdeutlichte Benedikt Narodoslawsky,
Journalist und Autor des Buches "Inside Fridays for Future".
Soziale Medien sind bei der Mobilisierung sowohl von Protestierenden,
als auch von den Gegnern der Proteste, heute nicht mehr wegzudenken,
ist es überzeugt. Er berichtete über einen zurückliegenden Fall.
Nach einer Fridays-for-Future-Demo tauchten in den Sozialen Medien
Fotos von vermüllten Straßen auf, die belegen sollten, wie wenig
die Klimademonstranten auf die Umwelt achten. Experten für Fake News
entlarvten die Fotos als Bilder vom Müllarbeiterstreik in Neapel,
die mit der Demo absolut nichts zu tun hatten. Fake News gilt es anzuprangern, so Narodoslawsky. Dem schloss sich auch Nataliya
Niederkofler an. Sie ist Mitglied des Krisen-Koordinationsstabes der
Ukrainischen Gemeinschaft in Innsbruck. "Normalerweise sollten
wir den Medien vertrauen, dies ist in Russland nicht der Fall",
so Niederkofler. Dort sei es aussichtslos, gegen die Propaganda der
Regierung zu protestieren.
Beim Gespräch über die
verschiedenen Methoden der Einschüchterung der Journalisteinnen und Journalisten beteiligte sich unter anderem Matthew Caruana Galizia, Direktor der
Daphne Caruana Galizia Foundation. Der Journalist hat einen
persönlichen Bezug zum Thema, da seine Mutter, die ebenfalls
Journalistin war, in Zuge einer Investigationsgeschichte ermordet
wurde. "Je mehr man seinen Job richtig macht, desto mehr
Aufmerksamkeit und gerichtliche Prozesse bringt das mit sich",
erklärte der Journalist. Es sei wichtig, die Art zu ändern, wie die
EU die Korruption bekämpfe. Die Redakteurinnen und Redakteure würden
sich weltweit miteinander vernetzen, sich austauschen und
zusammenarbeiten. Das fehle der Polizei, schilderte Galizia. Die
Behörden würden nicht miteinander kommunizieren: "Sie müssen
diesbezüglich noch einiges aufholen." Florian Skrabal,
Chefredakteur von "Dossier", erklärte drei Formen der
Einschüchterung: "Als Erstes versucht man, den Journalisten von
der Arbeit abzuhalten und verwehrt ihm den Zugang zu gewissen
Veranstaltungen. Dann entzieht man die Inserate, die wichtig für die
Wirtschaftslage der Zeitung sind. Und als drittes Hindernis steht der
gerichtliche Prozess, dem man sich stellen muss und der Geld kostet."
Korruption sei überall in den Medien verbreitet - auch in Polen.
Bogusław Chrabota, Chefredakteur von Rzeczpospolita Daily News in
Polen, berichtet, dass ein großer Anteil an Bundesgeldern in gewisse
Medien einfließe, um sie so abhängig von deren Unterstützung zu
machen und die Beiträge zu kontrollieren. Jedoch würden einige
Widerstand leisten: "Die Regierung stellt sich gegen die
Pressefreiheit, aber wir haben trotzdem eine große Zahl an
unabhängigen Medien, die dagegenhalten. Wir werden vom Staat
unterdrückt, aber wir beschützen unsere Freiheit", so
Chrabota.
Der bekannte Politologe
Peter Filzmaier rückte das Thema Medienkompetenz in den Mittelpunkt
seiner Keynote. Der Medienkonsument stehe vor dem Problem der
"kommunikativen Überfrachtung". Der Nutzer wird ob der
Vielzahl der Kanäle schlichtweg überfordert. Dies öffnet wiederum
der Desinformation und der Manipulation durch Verschwörungstheorien
Tür und Tor. "Nur Bildung ist die Lösung", appellierte
Filzmaier. In den Schulen wird jedoch in den seltensten Fällen der
richtige Umgang mit Medien gelehrt, stellte er fest.
"Krise! Leben im
Ausnahmezustand" war der Titel einer interessanten Diskussion,
in der es um die sozialen Auswirkungen von Corona-Pandemie und
Ukraine-Krieg ging. Die Philosophin Lisz Hirn stellte den Verlust des
Wohlstandes in den Raum. "Wir haben keinen innovativen Ansatz,
fallen immer wieder in ein Schwarz-Weiß-Denken zurück",
stellte sie fest. Migrationsexperte Gerald Knaus wies darauf hin, dass im medialen
Windschatten der Ukraine weltweit viele andere Kriege toben.
Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober ließ seine Amtszeit als
Regierungsmitglied zu Beginn der Pandemie im Spannungsfeld zwischen
Expertenmeinungen und dem engen Spielraum für Entscheidungen als
Politiker revue passieren.
Den größten medialen Niederschlag fand die bereits erwähnte Pressestunde am Abschlusstag mit Außenminister Alexander Schallenberg. Seine Haltung, der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten nicht zu gewähren, löste europaweit Kritik aus. Schallenbergs Regierungskollege, Arbeitsminister Martin Kocher, beantwortete die Fragen des ORF-Journalisten Hans Bürger rund um das Thema Ukraine-Flüchtlinge. Kocher sieht in der gegebenen, tristen Situation auch eine Chance, mittels der Flüchtlinge den Fachkräftemangel in Österreich zu lindern.
Die Tourismusgemeinde Lech, der Verband der Auslandspresse in Österreich und die Kommunikationsagentur pro.media luden heuer bereits zum vierzehnten Mal renommierte europäische Vertreter aus Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nach Lech am Arlberg, um sich abseits von Großstadthektik und Büroalltag in der Gebirgsidylle des Arlberggebietes in einem dreitägigen Diskussionsforum mit den brennenden Fragen Europas zwischen gestern und morgen auszutauschen.
Bild: Lech Zürs Tourismus GmbH/APA-Fotoservice/Lechner
Keynotes und Diskussionen im Sportpark Lech